Vor dem Hintergrund von Brexit und fehlender Solidarität in der Flüchtlingskrise hat die Slowakei von den Niederlanden die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Das erst seit 1993 unabhängige Land, das auch zur Eurozone gehört, wird den Vorsitz vom 1. Juli bis Jahresende 2016 führen. Aus diesem Anlass tritt am Freitag die EU-Kommission in der slowakischen Hauptstadt Bratislava zusammen.
Um das Ergebnis der Brexit-Abstimmung in Großbritannien und den nachfolgenden EU-Gipfel in Brüssel abzuwarten, hatte die slowakische Regierung ihr Vorsitzprogramm erst am Donnerstag präsentiert. Außenminister Miroslav Lajcak kündigte dabei auch einen EU-Sondergipfel zu den Brexit-Folgen für den 16. September in Bratislava an. Zur Verhandlungsposition der EU gegenüber Großbritannien betonte Lajcak, das Land könne nicht nur Rechte behalten, aber keine Pflichten wahrnehmen: "Ein Europa á la carte kann es nicht geben. 28 bilaterale Verträge mit Brüssel wären das Ende der EU."
Darauf angesprochen, dass sich sein Land selbst in der Flüchtlingskrise nicht solidarisch erweise, bekannte Lajcak Probleme mit der migranten- und vor allem islamfeindlichen Stimmung in der slowakischen Bevölkerung ein: "Uns fehlt die Erfahrung mit multikultureller Einwanderung. Wir wissen zwar, dass wir daran etwas ändern müssen, aber das kann nicht über Nacht geschehen und nicht auf Anweisung von Brüssel." Entscheidungen gegen den Willen der Bevölkerung würden nur rechtsextremen Kräften Auftrieb geben.
Die Staatssekretärin des Innenministeriums, Denisa Sakova, ergänzte: "Wir sind gegen eine Aufteilung von Flüchtlingen nach Länderquoten. Es muss einen anderen Vorschlag geben." Als Beispiel für slowakische Beteiligung nannte sie, dass man in Gabcikovo, südöstlich von Bratislava, Flüchtlinge unterbringe, die in Österreich Asyl beantragt hätten, für die es in Österreich aber nicht genug Unterkünfte gebe.
Der sozialdemokratische Regierungschef Robert Fico forderte ein Umdenken in der EU nach dem Brexit: "Es ist höchste Zeit für uns Politiker, endlich wahrzunehmen, dass wir dabei gescheitert sind, die Vorteile des europäischen Projekts den Bürgern zu vermitteln." Gerade die Slowaken seien aber begeisterte Europäer, unterstrich Außenminister Lajcak mit Hinweis darauf, dass die europäischen Institutionen und auch die Euro-Währung in der Slowakei wesentlich höhere Sympathiewerte besäßen als in den meisten anderen EU-Ländern.
dpa/jp/sr - Bild: Samuel Kubani/AFP