Die Parlamentswahl in Spanien an diesem Sonntag steht im Schatten des Brexits. Einen Tag vor der Abstimmung war nicht abzusehen, welchen Einfluss der EU-Austritt der Briten auf den Ausgang der Neuwahl haben würde. Die konservative Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy und die Sozialisten (PSOE) von Oppositionsführer Pedro Sánchez präsentierten sich als Faktoren der Stabilität in der Hoffnung, dadurch Stimmen besorgter Wähler zu erhalten. Nach Umfragen dürfte sich an den unklaren Mehrheitsverhältnissen wenig ändern.
Rajoy nutzte die Brexit-Entscheidung der Briten zu einer Spitze gegen die Linkspartei Podemos ("Wir können"), die für ein Referendum über eine Abspaltung Kataloniens von Spanien eintritt. "Volksabstimmungen sollte man nur abhalten, wenn es unbedingt nötig ist", sagte der Regierungschef nach Medienberichten vom Samstag. "Man darf die Verantwortung für schwere Entscheidungen nicht auf die Bürger abwälzen."
Die vorgezogene Parlamentswahl war notwendig geworden, nachdem sich die Parteien nach der regulären Wahl vom 20. Dezember 2015 nicht auf eine Regierungskoalition einigen konnten, die über eine ausreichende Mehrheit verfügte. Die Führer der großen Parteien betonten, dass nach der Wahl am Sonntag eine Regierungsbildung gelingen müsse. Allerdings zeichnete sich keine Koalition ab. Es galt nicht als völlig ausgeschlossen, dass die Spanier ein drittes Mal zu den Urnen gerufen werden müssen.
Die Neuwahl kostet die spanischen Steuerzahler 130,7 Millionen Euro. Dies sei etwa so viel wie bei der Wahl vor einem halben Jahr, teilte das Innenministerium am Samstag mit. Die Parteien hatten bei der Neuwahl die Kosten senken wollen, sich aber auf keine gemeinsame Formen verständigen können.
Nach den Umfragen, die vor der Brexit-Entscheidung der Briten vorgenommen worden waren, dürfte Rajoys PP erneut die stärkste Fraktion werden, aber eine absolute Mehrheit weit verfehlen. Auch eine mögliche Koalition mit den liberalen Ciudadanos (Bürger) käme kaum auf genügend Sitze. Im Lager der Linken müssen die Sozialisten befürchten, hinter Podemos zurückzufallen. Die Linkspartei des Politologen Pablo Iglesias hatte für die Wahl ein Bündnis mit der Vereinten Linken (IU) geschlossen, das ihr deutlich mehr Sitze einbringen dürfte.
dpa/mh/km - Bild: Jose Jordan/AFP