Mit Siegen bei den Bürgermeister-Stichwahlen in Rom und Turin hat die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung einen überraschend klaren Doppelerfolg gefeiert. Spitzenkandidatin Virginia Raggi setzte sich mit großem Vorsprung durch und wird erste Bürgermeisterin der Ewigen Stadt. Auch in Turin steht künftig eine Frau des "Movimento 5 Stelle" (M5S) an der Stadtspitze. Für Regierungschef Matteo Renzi und seine Mitte-Links-Regierung ist der Wahlausgang ein herber Schlag. Renzis Kandidaten setzten sich in Mailand und Bologna durch.
Mit Spannung war das Ergebnis in Rom erwartet worden, wo die 37 Jahre alte Rechtsanwältin Raggi am Sonntag als Favoritin ins Rennen gegen Renzis Kandidaten Roberto Giachetti gegangen war. Bereits nach den ersten Hochrechnungen räumte der 55-Jährige seine Niederlage ein und gratulierte seiner Kontrahentin zu dem haushohen Sieg. "Ich bin für die Niederlage verantwortlich", sagte Giachetti.
Raggi, die sich im Wahlkampf gegen die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2024 in der italienischen Hauptstadt ausgesprochen hatte, lag mit gut zwei Drittel der Stimmen meilenweit vor Giachetti. Sie sprach in der Nacht zum Montag laut der Nachrichtenagentur Ansa auf einer Pressekonferenz von einem "historischen Moment" und zeigte sich erfreut, "dass auch Rom endlich eine Bürgermeisterin haben wird".
Auf die Siegerin wartet keine leichte Aufgabe: Die Ewige Stadt gilt als nahezu unregierbar und leidet schon lange unter Dreck, Smog, Korruption und verstopften Straßen.
Historischer Tag - auch in Turin
M5S-Gründer Beppe Grillo meldete sich über seinen Blog zu Wort und schrieb: "Es ist ein historischer Tag, von heute an ändert sich alles. Jetzt sind wir dran. Und das ist erst der Anfang." Am Hauptquartier des M5S fanden sich in der Nacht laut Ansa etliche Anhänger der Bewegung ein und feierten den Sieg.
Großer Jubel auch in einer anderen Großstadt: In Turin im Nordwesten des Landes löst die erst 31 Jahre alte M5S-Kandidatin und Unternehmerin Chiara Appendino überraschend den amtierenden Bürgermeister und PD-Kandidaten Piero Fassino ab. Fassino hatte eigentlich damit gerechnet, bereits im ersten Wahlgang die notwendige 50-Prozent-Marke zu knacken, musste sich aber mit 41,8 Prozent zufriedengeben und in die Stichwahl.
Siege in Großstädten konnten Renzis Kandidaten dagegen in der Finanzmetropole Mailand und in Bologna verbuchen. In Mailand gewann Giuseppe Sala, der Chef der im Oktober zu Ende gegangenen Weltausstellung, gegen Stefano Parisi vom Mitte-Rechts-Lager. Renzis Partito Democratico (PD) sprach in einer Mitteilung von einer "klaren Niederlage ohne mildernde Umstände" in Turin und Rom. Dagegen habe man deutliche Siege in Mailand und Bologna eingefahren.
Landesweit waren fast neun Millionen Wähler bis zum späten Sonntagabend in mehreren Großstädten und Dutzenden weiteren Kommunen aufgerufen, in Stichwahlen ihre Bürgermeister zu bestimmen. Die Wahllokale schlossen erst um 23:00 Uhr.
Renzi hatte mehrmals betont, dass die Kommunalwahlen stark lokal beeinflusst und keine Abstimmung über die Regierung seien. Der Ministerpräsident muss sich im Oktober einem wichtigen Verfassungsreferendum stellen, das über seine politische Zukunft entscheiden wird.
Die Wahlbeteiligung lag mit 50,5 Prozent im ganzen Land noch einmal deutlich unter der vom ersten Durchgang Anfang Juni. Beobachter hatten seinerzeit bereits auf die geringe Teilnahme hingewiesen. Es war von einem "antipolitischen Wind" im Land die Rede, die Wahl sei von Protestwählern und Gleichgültigkeit bestimmt worden.
Von Daniel Rademacher, dpa