Kriminell, haarsträubend, abstoßend, inakzeptabel. Auch den Kammerabgeordneten fehlten die Worte angesichts des Skandals um die Heimpflegerin aus dem westflämischen Houthulst. Die 42-Jährige hatte über Jahre hinweg Millionenbeträge bei der Krankenversicherung abgerechnet, Zahlungen für Leistungen, die entweder fiktiv oder aufgebläht waren. Damit konnte sie ihren ausschweifenden Lebensstil finanzieren: Luxusreisen, Designerklamotten, und vor allem: sündhaft teure Autos.
"Ich kenne viele Hauskrankenpflegerinnen", sagte die N-VA-Kammerabgeordnete Kathleen Depoorter. "Keine dieser Pflegerinnen fährt einen Ferrari, geschweige denn 17, wie die fragliche Frau aus Houthulst."
Und was da besonders empörend ist, waren sich alle einig: Das Ganze lief schon seit Jahren so. Dabei lag schon 2017 eine erste Klage gegen die Frau vor. Und doch musste es am Ende acht Jahre dauern, bis der betrügerischen Pflegerin endlich das Handwerk gelegt wurde. Acht Jahre, in denen die Frau sich weiter selbst verwöhnen konnte, auf Kosten von pflegebedürftigen Menschen, beklagte Nawal Farih von der CD&V.
Und eben, weil das so lange gedauert hat, wurde da eine ganze Branche diskreditiert, all diese Pflegekräfte, die sich von früh bis spät für ihre Patienten aufreiben, und die jetzt unter Generalverdacht stehen, waren sich Farih und auch Depoorter einig. Beide sind übrigens Mitglieder von Arizona-Parteien.
Dem föderalen Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke war das Unbehagen anzusehen. "Diebstahl" sei das, schlug er erst mal in dieselbe Kerbe wie die Abgeordneten, um dann aber gleich klarzumachen, dass das Landesamt für Krankenversicherung LIKIV eben nicht tatenlos zugesehen habe. Im Gegenteil: Dort sei man sofort aktiv geworden, nachdem mutige Menschen 2017 Beweise gesammelt und ein erstes Mal eine Beschwerde gegen die Frau eingereicht hatten.
Das LIKIV ist gegen die Frau vorgegangen; sofort und wiederholt, betont Vandenbroucke. Aber was musste man feststellen? Die Waffen der Behörde waren angesichts von so viel krimineller Energie schlicht und einfach stumpf.
Man hört es: Einige Abgeordnete empfinden das als hohle Ausrede. Vandenbroucke, der ja ohnehin eine kurze Zündschnur hat, fährt gleich aus dem Anzug. Er habe schon mehrmals im Parlament vor genau solchen Skandalen gewarnt. Er habe sogar den Fall der Pflegerin aus Houthulst schon in der Kammer als Beispiel angeführt, damals freilich ohne Namen zu nennen. Er habe wirklich alles versucht, um das Parlament davon zu überzeugen, dass man die Waffen schärfen müsse.
"Und wissen Sie", wendet sich Vandenbroucke an das Halbrund: Bald, wenn es wieder um diese Frage gehen wird, dann werden Sie alle Farbe bekennen müssen, ob nun aus der Mehrheit oder aus der Opposition. Und dann werde er die Fraktionen beim Wort nehmen.
Trotz seiner Verve und Entschlossenheit kann der Minister aber offensichtlich nicht alle überzeugen. "Jeder wusste von den kriminellen Machenschaften der Pflegerin. Und es hätte angemessene Waffen gegeben, um die Frau zu stoppen", sagte die N-VA-Abgeordnete Kathleen Depoorter. Man habe die Waffen nicht eingesetzt.
Jeroen Van Lysebettens von den oppositionellen Grünen schlug in dieselbe Kerbe: "Die Waffen wurden nicht eingesetzt; und so konnte die betrügerische Pflegerin einfach ungestört weitermachen."
Und das sei ja nun weiß Gott nicht der erste Skandal beim LIKIV, wandte sich der unabhängige Abgeordnete Jean-Marie De Decker an den Minister. In den letzten Wochen habe eine Affäre die nächste gejagt. "Sie sind seit 6 Jahren der Aufsichtsminister der Behörde - es wird Zeit, dass Sie Ihre Arbeit machen," schloss er.
Betrügerische Heimpflegerin: Neue Hausdurchsuchungen, neue Erkenntnisse
Roger Pint