Für die Ohren von Motorsport-Liebhabern ist die Formel E doch sehr gewöhnungsbedürftig. Aber sie ist sowieso nicht gedacht als Konkurrenz für die anderen Rennserien, sagt Xavier Mestelan-Pinon, Direktor von DS Performance. "Für Leute, die den typischen Rennsound lieben, gibt es andere Disziplinen. Das Publikum bei der Formel E ist ein ganz anderes Publikum: viel mehr Frauen und Kinder. Die Formel E zeigt Autorennen in einem anderen Licht. Es geht nicht nur um das Rennen, es geht um die Technologie und um Mobilität."
Mestelan-Pinon baut den E-Flitzer für das Team DS Virgin Racing. Ein solches Formel-E-Auto erreicht bis zu 230 Stundenkilometer. "Wir wollen zeigen, dass man auch mit einem Elektroauto schnell fahren kann und dass die Technologie sich weiterentwickelt. So wollen wir erreichen, dass die Leute sich stärker für Elektroautos interessieren."
In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Formel E allerdings noch nicht wirklich angekommen. Das wollen die Veranstalter ändern. Sie bringen die Formel E zu den Leuten, in die großen Metropolen auf der ganzen Welt. Neben Paris unter anderem auch London, Moskau, Peking, Los Angeles oder Mexiko City. Und nächstes Jahr vielleicht auch Brüssel. Für jedes Rennen wird im Stadtzentrum ein Rundkurs gebaut. In Paris drehte die vorübergehende Rennstrecke rund um das Hotel des Invalides und den Invalidendom. Eine tolle Kulisse.
Noch viel Arbeit
Aber es ist noch ein weiter Weg, bis die Formel E in den Köpfen angekommen ist, gibt auch Mestelan-Pinon zu. "Bei jeder neuen Disziplin braucht es seine Zeit, bis sie wirklich bekannt ist. Wir arbeiten daran. Wir kommen zum Publikum, wir fahren mitten in der Stadt. Aber ja, die Formel E steht noch ganz am Anfang und muss sich noch beweisen. Wir wollen zeigen, dass Elektroautos auch Rennen fahren können. Und dass die Autonomie stetig steigt."
Genau der Knackpunkt - in der Formel E und auch bei den Elektroautos für die Straße: Die Autonomie ist derzeit noch sehr begrenzt. Beim Formel-E-Rennen tauschen die Fahrer nach einer halben Stunde das Auto, weil die Batterie leer ist. In drei Jahren soll dann eine Batterie ein ganzes Rennen - eine Stunde - durchhalten.
"Wir werden dann ein ganzes Rennen mit einer Batterie und mit einem Auto fahren. Heute brauchen wir noch zwei Batterien und deshalb zwei Autos, weil wir die Batterie nicht so einfach tauschen können. Um das zu erreichen, arbeiten wir an der Batterie selbst, aber auch am ganzen Antriebsstrang, an den Reifen und an der Aerodynamik. Damit die vorhandene Energie am effizientesten genutzt werden kann", erklärt der Direktor von DS Performance.
(Fast) wie ein ganz normales Rennauto
Und wie fährt sich so ein Elektro-Rennauto? Im Qualifying - wo es nur um eine schnelle Runde geht - fährt es sich wie ein ganz normales Rennauto, erklärt Jérôme D'Ambrosio aus Brüssel, einer von mehreren ehemaligen Formel-1-Fahrern, die in der Formel E gelandet sind. "Im Rennen selbst auch, nur dass du eben Energie sparen musst. Aber das tust du auf den Geraden und nicht in der Kurve. Also ist es wirklich ein Rennauto und noch dazu das, was bisher in meiner Karriere am schwersten zu fahren ist. Das liegt am hohen Gewicht, du hast nicht viel Grip und Abtrieb, und du musst Energie zurückgewinnen beim Bremsen."
"Außerdem funktioniert fast nichts automatisch. Es ist eine Sache, wenn dein Ingenieur dir sagt: Drück auf diesen Knopf, stell jenen Regler auf X. Das machst du dann einfach. Es ist eine ganz andere Sache, wenn du selbst ein Problem analysieren, reagieren und die Lösung finden musst. Und das müssen wir tun. Die Ingenieure in der Box haben nur eine Information: die Temperatur der Batterie - aus Sicherheitsgründen. Alle anderen Infos geben wir weiter. Aber manchmal sagst du einfach: Leute, ich kümmer mich um alles, es läuft, ich komm alleine klar", erklärt der Fahrer vom Team Dragon Racing.
Modell der Zukunft
Auch Jérôme D'Ambrosio glaubt, dass Elektroautos ganz einfach die Zukunft sind. Nur ist Europa auf diesem Gebiet einfach noch schwer hinten dran. "Das letzte Rennen war in Los Angeles, weltweit die Stadt mit den meisten Elektroautos. Die Stadt war immer ihrer Zeit voraus. Zum Beispiel ist das Rauchen in Kneipen dort schon seit langem verboten, ich glaube 20 Jahre eher als bei uns. Dort achtet man sehr auf das Wohlbefinden der Menschen und die Umwelt. Dieses Bewusstsein spüren wir auch in China und Hongkong. In Europa ist das noch ein Problem."
Richtungsweisend ist die Formel E für D'Ambrosio auch noch auf einem anderen Gebiet. Die Fans sind direkt ins Renngeschehen eingebunden. Durch den Fan Boost, eine Wahl per Internet. Die drei Fahrer mit den meisten Stimmen bekommen ein paar Zusatz-PS. Zusätzliche Power, die sie einmal abrufen dürfen - wann, das ist ihre Entscheidung.
"Auch wenn Motorsport-Puristen damit nichts anfangen können, der Sport muss mit der Zeit gehen. Junge Leute finden das genial. Sie wollen mitmachen. Die Formel E ist der einzige Sport, in dem Fans das Endresultat beeinflussen können. Sie haben wirklich das Gefühl, Teil des Geschehens zu sein. Das ist viel besser, als 500 Meter entfernt hinter Absperrungen zu stehen und kaum die Autos zu sehen, geschweige denn die Piloten."
Gerne genutzt wird der Fan Boost kurz vor Schluss, um noch einen Konkurrenten zu überholen und einen Platz zu gewinnen. Und deshalb kam die Extra-Power beim Rennen am Samstag in Paris nicht zum Einsatz. Denn die letzten Runden wurden hinter Safety Car gefahren, weil der Chinese Ma Qing Hua mit seinem Auto in die Mauer gekracht war. Spektakel gab es jedenfalls genug, das Rennen war doch spannender als erwartet.
Trotzdem: Der typische Rennsound fehlt einfach. Ganz in der Zukunft angekommen sind wir wohl noch nicht.
Spitzenreiter Di Grassi gewinnt GP von Paris
Der Sieg beim Formel-E-Rennen von Paris ging an den Brasilianer Lucas Di Grassi vom Team Abt Schaeffler Audi Sport vor dem Franzosen Jean Eric Vergne (DS Virgin Racing) und dem Schweizer Sebastien Buemi (Renault e.dams). Jerome D'Ambrosio kam nach einer schlechten Qualifikation und einem mäßigen Rennen nur auf Platz elf.
Katrin Margraff - Bilder: FIA Formula E