Charlotte Dujardin und Valegro haben die Kür präsentiert, mit der sie in diesem Frühjahr bereits das Weltcup-Finale in Las Vegas gewonnen hatten. Die amtierende Weltmeisterin und Olympiasiegerin ritt eine tolle Runde zur Filmmusik von "Drachenzähmen leicht gemacht", bis ihr in beiden Galoppwechseln von Sprung zu Sprung zwei deutliche Fehler unterliefen. "Ich habe die Galoppwechsel "überritten"", nahm sie die Fehler sofort auf ihre Kappe und war voll des Lobes für ihren Goldpartner Valegro. "Es war eine lange anstrengende Woche hier, für alle Pferde. Ich bin wirklich glücklich und stolz auf ihn." Das knappe Ergebnis lockte ihr ein schelmisches Grinsen ins Gesicht. "Dass Kristina mir so im Nacken sitzt, macht diesen Sport noch spannender." Valegro bekäme jetzt zwei oder drei Wochen Pause und dann starte sie mit ihm schon langsam die Vorbereitungen Richtung Rio. "Und ich hoffe, dass ich dann meine Galoppwechsel wieder "sortiert" bekomme", lacht die zweifache Goldmedaillengewinnerin der FEI Europameisterschaften Aachen 2015.
Bröring-Sprehe hatte eine fehlerlose, harmonische Kür in das Aachener Hauptstadion gezaubert. "Das war die beste Kür, die ich je geritten habe", erklärte die 29-Jährige überglücklich. "Desperados war unglaublich und in dieser Atmosphäre hier in Aachen zu reiten – das war fantastisch!" Als vorletzte Starterin war sie an den Start gegangen und wusste nach ihrer Superrunde: Alles ist möglich! An der Seite ihrer Teamkollegin Isabell Werth verfolgte sie gespannt den Ritt von Schlussreiterin Dujardin und erklärte lachend. "Isabell hat mir praktisch Händchen gehalten. Ich war ja doch nervös." Kurz habe sie sich geärgert, weil das Gold so greifbar war, aber …"Ich bin rundum zufrieden und wer weiß, vielleicht kann ich im nächsten Jahr noch ein bisschen besser sein", sprach sie und lächelte angriffslustig in Richtung Europameisterin Dujardin. Nach dem Feiern von Mannschaftsbronze und zweimal Einzelsilber geht es mit den Festlichkeiten für Kristina Bröring-Sprehe gleich weiter. Am kommenden Wochenende steht ihre kirchliche Trauung mit Christian Bröring an – ein weiteres Highlight für die zweifache Vize-Europameisterin im Sommer 2015.
Bronze ging an die Spanierin Beatriz Ferrer-Salt auf Delgado mit 82,714 Prozent – vielleicht war das die größte Überraschung dieser Europameisterschaften. Die Vize-Weltmeisterin von 2002 war völlig perplex von diesem Erfolg. "Wir sind mit dem Ziel nach Aachen gekommen, uns mit dem Team für Rio zu qualifizieren. Das hat geklappt. Dann wollte ich mich im Spezial für die Kür qualifizieren. Das hat auch geklappt. Aber dass ich jetzt mit einer Medaille nach Hause fahre, ist einfach unglaublich!" Ihren 14-jährigen Partner Delgado hat sie bereits seit acht Jahren unter dem Sattel, aber es waren Jahre des ständigen Bergauf und Bergabs. "Er war immer wieder verletzt. Ich habe die Weltreiterspiele in Kentucky verpasst, weil er verletzt war. Ich konnte in London nicht mit ihm reiten, weil er verletzt war. Er musste wieder Pause machen." Die Tierärzte hatten ihr gesagt: "Der wird nicht mehr fit." Seit eineinhalb Jahren hat sie ein "Reha-Programm" für ihn ausgearbeitet, zusammen mit einem Chiropraktiker und einer Masseurin. Seitdem ist er stabil gesund, läuft spitze und hat in Aachen mit einer wunderbar elastischen Kürrunde EM-Bronze gewonnen. Die Musik zu ihrer Kür ist die Eigenkreation eines Freundes, speziell für sie und Delgado.
Eine tolle Runde hatte auch Isabell Werth mit Don Johnson hingelegt. "Wer mir gesagt hätte, dass ich hier mit Don Johnson in Medaillennähe reite, ich hätte es nicht geglaubt", strahlte Werth. "Jetzt ist es knapp Platz vier geworden. Aber ich bin super stolz auf Johnny. Es ist ein gutes Gefühl, mit ihm eine "zweite Waffe" neben Bella Rose für Rio im Stall zu haben." Werth erhielt für ihren gelungenen Ritt 82,482 Prozentpunkte. Die Plätze drei, vier und fünf lagen bei dieser Europameisterschafts-Kür ganz dicht beieinander: mit nur 0,303 Prozent Abstand – ein Zeichen für die Spitzenqualität auf engstem Raum bei den europäischen Toppaaren.
Eine Premiere feierten die Fans des portugiesischen Dressursports. Zum ersten Mal ging ein Dressurreiter aus Portugal in einem EM-Finale an den Start. Goncalo Carvalho war schon bei Weltmeisterschaften, Olympischen Spielen und Europameisterschaften dabei, aber noch nie hatte er es bis ins Kür-Finale geschafft. "Ich bin sehr sehr stolz!", strahlte der 33-Jährige und ist seinem Ziel, der Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio, während der Tage in Aachen einen ganzen Schritt näher gekommen.
Die Zuschauer konnten die EM-Dressur-Wettbewerbe in Aachen mit einer gemeinsam vom Veranstalter und dem Softwarehersteller SAP entwickelten App ‚mitrichten’. Ihr Ergebnis fiel etwas anders aus als bei den Richtern: Gold erhielt von den Zuschauern Kristina Bröring-Sprehe mit 86,714 Prozent, Silber ging an Dujardin mit 83,015 Prozent und auf dem Bronzerang sahen die Aachen-Zuschauer Isabell Werth mit 82,183 Prozent.
Christophe Ramjoie - Bild: privat