Wenn Alex Zanardi mit seiner einnehmenden Art seine Geschichte erzählt, muss man einfach zuhören. Wenn er über sein Leben und seine Arbeit spricht, wird schnell klar: Seinen Humor hat er nicht verloren. "Ich bin nicht mehr in Gefahr als die Kollegen. Es ist sogar einfacher: Wenn ich mir ein Bein breche, brauche ich nur einen Mechaniker und keinen Mediziner", grinst der 48-Jährige.
"Der Unfall hat mich einiges gelehrt. Als ich jung war, habe ich immer voll angegriffen. Heute will ich immer noch schnell sein, aber ich sorge für einen gewissen Spielraum. Vorher bin ich bis an die Grenze gegangen und manchmal darüber hinaus. Und dann machst du Fehler. Heute bin ich schlauer."
2001 verunglückte Zanardi bei einem ChampCar-Rennen auf dem Lausitzring. Er wurde mit nur noch einem Liter Blut ins Krankenhaus eingeliefert, sein Herz blieb sieben Mal stehen. Die Ärzte hielten es damals schlicht für unmöglich, dass Zanardi überlebt. Aber er hat es allen gezeigt - und tut das seitdem immer wieder. Bei den Paralympics 2012 in London gewann er im Handbike zwei Goldmedaillen. Und er fährt weiter Autorennen, unter anderem von 2005 bis 2009 in der Tourenwagen-WM.
Unmöglich gibt's nicht - das hat Zanardi auch BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt erklärt. "Wir sprachen über den BMW Z4 und ich habe gesagt: Bei Langstreckenrennen ist dieses Auto wirklich stark, vor allem auf einer Strecke wie Spa. Und er hat gesagt: Schade, dass wir dich nicht dabei haben können. Und ich habe entgegnet: Warum nicht? Ich habe ihm dann erklärt, wie ich mir das vorstelle, dann kamen Versammlungen mit den Ingenieuren, ... und jetzt sind wir hier."
Ganz nach dem Motto: Probleme sind da, um gelöst zu werden. Als Zanardi nach dem Unfall wieder in den Rennsport einstieg, war erst geplant, dass Zanardi alles per Hand steuert: Gas, Bremsen, Kupplung, Gangschaltung. Das war ein bisschen viel des Guten. "In der Kurve bremsen, schalten, ein bisschen Gas geben und dabei ja auch noch lenken - dann habe ich gesagt: Wenn ihr mir was baut, was ich mit dem Mund steuern kann, putz ich beim Fahren auch noch das Auto ..."
"Ehrgeiz ist ein toller Antrieb. Aber Ehrgeiz ist nichts ohne echte Leidenschaft."
Alex Zanardi
Zanardi kam eine Idee: ein Pedal, das er mit der Hüfte bedienen kann. Und wie immer hatte er seine eigene Art, die Ingenieure zu überzeugen. "Sie haben gesagt, das ist unmöglich. Dann bin ich nach Hause gefahren und habe mir die Waage geschnappt. Ein Mechaniker hat die Waage gegen die Wand gehalten und ich habe den Ingenieur gebeten, mit dem Bein gegenzudrücken. Er hat 115 Kilo geschafft. Und ich habe 125 Kilo geschafft. Und ihn gefragt: Machst du mir jetzt mein Bremspedal? Er hat nachgegeben und geantwortet: Jaja, du kriegst dein Pedal."
Von der ersten Pedal-Version hat man sich jetzt verabschiedet. Beim 24-Stunden-Rennen von Spa kommt eine neue Technik zum Einsatz. Bislang wurde eine Art Schuh auf das Bremspedal montiert, die Beinprothese wurde dort hineingesteckt. Jetzt ist es genau andersherum: Das Bein ist von innen hohl, die Bremse ist ein Stab und wird in die Prothese hineingesteckt. Das gibt mehr Sicherheit.
Neben den Modifikationen an Lenkrad und Pedalbox haben die Ingenieure die Sitzposition optimiert, eine Klimaanlage eingebaut und die Software für die Motorsteuerung überarbeitet. Insgesamt hat die Entwicklungsarbeit rund fünf Monate gedauert.
Hast du geduscht?
Knifflig beim 24-Stunden-Rennen: Also muss alles so angeordnet sein, dass es die Kollegen nicht stört. Denn bei Langstreckenrennen wird das Auto geteilt. Mit Zanardi im Team: der Deutsche Timo Glock, ehemaliger Formel-1-Fahrer und mittlerweile in der DTM unterwegs, und der Kanadier Bruno Spengler, ebenfalls DTM-Fahrer.
Zanardi bezeichnet die beiden als "echte Rennpferde". Das Trio scheint gut zu harmonieren. Beim Vorbereitungsrennen in Le Castellet wurde unter anderem der Fahrerwechsel geprobt - und er gelingt mittlerweile in der Zeit, die der Boxenstopp mit Tanken und Reifenwechsel sowieso dauert. Und es gab auch die eine oder andere Überraschung. Als Spengler nach Zanardi ins Auto stieg, war der Sitz pitschnass.
"Hast du geduscht?, hat Bruno mich gefragt", erzählt Zanardi. "Aber es ist so: Die Arme und Beine sind unsere Kühlung. Unser Körper gibt Temperatur über die Hände und Füße ab. Ich bin also ein bisschen wie ein Motor ohne Kühler. Das wird schnell heiß und deshalb schwitze ich sehr viel. Ich versuche immer, ein bisschen Wärme über die Zunge loszuwerden - ich hechele dann wie ein Hund", lacht Zanardi.
Das 24-Stunden-Rennen von Spa kommt ihm entgegen: Auf der Rennstrecke von Francorchamps wird viel weniger gebremst als auf anderen Strecken, außerdem hofft Zanardi auf eine kühle Nacht. Ein Platz unter den ersten fünf sollte möglich sein, glaubt Zanardi, der aber die Erwartungen nicht zu hoch schrauben will. Und dabei nimmt er sich ein letztes Mal selbst auf die Schippe: "Wir sollten mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben ..."
Katrin Margraff - Fotos: BMW Motorsport/Blancpain