Novak Djokovic blickte zum Himmel, sank auf die Knie und steckte sich triumphierend ein Stück vom heiligen Rasen in den Mund. Mit einem lauten "Jaaaaa" quittierte auf der Tribüne sein Trainer Boris Becker den dritten Wimbledonsieg seines Schützlings, ehe er nacheinander die ganze Box herzte und umarmte. "Das ist ein besonderer Moment in meinem Leben", sagte Becker später im TV-Sender Sky und betonte: "Wir alle im Team Djokovic bemühen uns, ihm zu helfen. Aber er ist der Mann, er muss es auf dem Platz bringen. Und er hat es wieder geschafft." Und wie! 30 Jahre nach Beckers Tennis-Märchen und fünf Wochen nach dem verlorenen French-Open-Finale holte Djokovic mit seinem dritten Wimbledonsieg nach 2011 und 2014 seinen prominenten Coach ein und zerstörte wie schon vor einem Jahr Roger Federers Traum vom Rekord-Titel.
Nach dem 7:6 (7:1), 6:7 (10:12), 6:4, 6:3-Erfolg ihres Gatten verdrückte Djokovics Ehefrau Jelena ein paar Freudentränen, in Federers Box blieb Trainer Stefan Edberg und Frau Mirka nur höflicher Applaus. "Für diese speziellen Matches arbeitest du jeden Tag. Es ist ein aufregendes Gefühl", sagte Djokovic bei der Siegerehrung und lobte: "Das Gras schmeckt in diesem Jahr sehr, sehr gut."
Tags zuvor hatte bereits Serena Williams mit einer speziellen Jubelgeste ihren 21. Grand-Slam-Titel zelebriert. Die neue Queen von Wimbledon setzte sich die Venus Rosewater Dish wie einen Hut beim Pferderennen von Ascot auf den Kopf. "Einfach unglaublich, wie Serena ihre Siegesserie in Wimbledon ausbaut. Wirklich eine tolle Leistung", sagte Steffi Graf. Im Alter von fast 34 Jahren feierte Williams durch ein 6:4, 6:4 gegen die Spanierin Garbiñe Muguruza ihren sechsten Wimbledonsieg und machte auch den sogenannten Serena-Slam perfekt. Serena Williams gewinnt in Wimbledon und holt 21. Grand-Slam-Titel
Djokvic eroberte seine neunte Trophäe bei einem der vier Majors und durfte am Sonntagabend um kurz vor 18:00 Uhr Ortszeit den Goldpokal in die Höhe stemmen. "Als Kind träumst du davon, Wimbledon zu gewinnen und dann etwas Verrücktes zu machen. Das Gras zu essen, ist ja schon eine kleine Tradition", sagte der Weltranglisten-Erste aus Serbien.
Becker hatte 1985, 1986 und 1989 beim Rasenklassiker gesiegt und stand in seiner roten Trainingsjacke stolz klatschend in der Spielerloge. Nach 2:56 Stunden nutzte Djokovic seinen ersten Matchball und wehrte den Angriff des einstigen Branchenprimus auf den achten Wimbledon-Titel ab. So muss sich Federer die Bestmarke von sieben Siegen weiter mit Pete Sampras und William Renshaw teilen.
Dabei wirkte Federer anfangs hochkonzentriert und absolut fokussiert. Zum 4:2 gelang ihm ein Break, doch sein Kontrahent schlug sofort zum 4:3 zurück. Bei seiner 6:5-Führung hatte der Schweizer zwei Satzbälle, doch Djokovic rettete sich in den Tiebreak. Federer gelang plötzlich fast nichts mehr, 6:7 (1:7) hieß es nach 45 Minuten.
In seinem zehnten Wimbledon-Finale stand Federer wieder der unnachgiebigen "Ballmaschine" gegenüber, wie Philipp Kohlschreiber den Serben nach seinem Erstrunden-Aus genannt hatte. Trat Djokovic bislang solide und ohne zu glänzen auf, so schaffte er es, rechtzeitig zum Kräftemessen mit dem Besten sein Niveau anzuheben.
Im zweiten Durchgang sorgten beide Protagonisten für kaum zu überbietende Spannung. Beim Stand von 4:5 servierte Federer mit einem Doppelfehler Djokovic einen Satzball, wehrte den aber ab. Wieder ging es in den Tiebreak. Djokovic zog auf 6:3 davon. Dann aber folgten einige dieser Federer-Momente, die den Schweizer in der Vergangenheit zum unbestrittenen Herrscher des Herren-Tennis gemacht hatten.
Insgesamt sieben Satzbälle wehrte Federer ab, ehe er seinen zweiten zum 12:10 im Tiebreak verwandelte. Die 15.000 Zuschauer, unter ihnen IOC-Präsident Thomas Bach und Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton, wurden prächtig unterhalten. Auch nach einer 20-minütigen Unterbrechung wegen eines kurzen Regenschauers fand Federer keine Mittel mehr. Zwölf Jahre nach seinem ersten Wimbledonsieg blieb ihm der achte verwehrt: "Es ist ein gemischtes Gefühl. Ich habe ein gutes Turnier gespielt, aber am Ende stehe ich mit leeren Händen da."
Von Wolfgang Müller, dpa/cr - Bild: Toby Melville (afp)