Verkauft er, verkauft er nicht? Eine Frage, die man nicht zum ersten Mal stellt. Denn das Verhältnis von Roland Duchâtelet zu Standard Lüttich kann man fast schon als Hassliebe bezeichnen.
Im Juni 2011 war die Überraschung groß, als einer der reichsten Männer des Landes Standard übernahm. Bis dato war Duchâtelet in Ostbelgien eher als Vivant-Gründer bekannt.
Die Sportwelt kannte den erfolgreichen Unternehmer aber bereits als Eigentümer des damaligen Erstligisten Sint-Truiden.
Eigentlich nur ein Hobby. In diese Nebenbeschäftigung sei er eher zufällig reingerutscht, ließ Duchâtelet in Zeitungsinterviews festhalten. Man habe ihn mal gefragt, ob er den limburgischen Fußballclub nicht irgendwie unterstützen wolle. Von Fußball habe er bis dato nichts verstanden. Mit der Zeit sei aber seine Neugier und sein Interesse gewachsen. Soweit die Vorgeschichte.
Finanziell gesehen war die Übernahme von Standard Lüttich kein schlechter Schachzug. Duchâtelet bezahlte damals 34 Millionen Euro für einen gesunden Verein, der gerade nach langer Durststrecke zweimal in Folge die Meisterschaft gewonnen hatte. Der Verkauf von namhaften Spielern wie Witsel, Fellaini und Defour sorgte jedenfalls für fette schwarze Zahlen.
Die Standard-Fans haben den Flamen, dessen Vater aus Lüttich stammt, aber immer mit Skepsis betrachtet. Als er den, von den Fans geschätzten, rumänischen Trainer Rednic überraschend entließ, stürmten aufgebrachte Fans in sein Büro. Zuvor hatten über 4.000 Standard-Anhänger auf der Straße lauthals gegen ihn demonstriert. Der 'reiche Flame' solle doch 'endlich aus Lüttich abhauen'.
Damalige Augenzeugen berichteten, Duchâtelet habe, als er von den Fans bedroht wurde, wirklich um sein Leben gebangt. Nach diesem Vorfall verkündete er, er habe die Botschaft verstanden und er werde den Verein noch vor Ende der Saison verkaufen. Nichts lasse ihn mehr davon abbringen.
Doch was dann geschah, entsprach einer anderen Logik. Duchâtelet verstärkte durch gezielte Einkäufe nicht nur Standard Lüttich, er kaufte auch eine ganze Reihe von europäischen Vereinen, wie den deutschen Viert-Ligisten Carl Zeiß Jena oder den englischen Zweitligaclub Charlton Athletic. Auch ein spanischer Zweitligaclub, sowie ein ungarischer Verein sind heute sein Eigentum.
Sportexperten erklärten, dahinter stehe ein durchdachtes Konzept, bei dem talentvolle Spieler dort geparkt werden, wo sie ihrer Leistung entsprechend am besten Spielpraxis sammeln können – für höhere Aufgaben. Und an eben dieser Spitze stehe Standard Lüttich. Ohne diesen Verein mache das ganze Konzept keinen Sinn. Ohne die Lokomotive Standard rollen die Wagons nicht hinterher, sagt zum Beispiel der Sport-Ökonom und Professor der Universität Antwerpen, Trudo Dejonghe.
Viele Spieler hätten nur einen Vertrag in der Duchâtelet-Galaxie unterzeichnet, weil sie hofften, irgendwann mal das Trikot von Standard Lüttich überstreifen zu können.
Dennoch spricht vieles dafür, dass der Verein nun doch verkauft wird. Auch die Lebensgefährtin von Duchâtelet drängt ihn zu diesem Schritt. Nach Drohungen wegen der ausbleibenden Erfolge in der laufenden Saison musste sein Haus im Juni von der Polizei bewacht werden. Und nach einer Niederlage gegen Waregem flüchtetet er vor Spielende aus dem Stadion, weil die Ultras die Ehrentribüne zu stürmen versuchten.
Aus dem Emirat Abu Dhabi soll jetzt ein Angebot von 62 Millionen Euro auf dem Tisch liegen. Der 68-jährige Duchâtelet hatte sich bereits eine Vereins-Dividende von 20 Millionen Euro auszahlen lassen. Wenn er jetzt verkauft, dann hat Duchâtelet nicht nur weniger Ärger am Hals, sondern in weniger als drei Jahren einen Gewinn von 50 Millionen Euro gemacht. Wer käme da nicht in Versuchung?
meuse/dh/mz - Bild: Nicolas Lambert/BELGA