Nach der ersten Sieglos-Saison seit 21 Jahren greift Ferrari durch und stellt seinem Hoffnungsträger Sebastian Vettel auch einen neuen Teamchef an die Seite. Der glücklose Marco Mattiacci muss nach nicht einmal acht Monaten seinen Platz wieder räumen, Maurizio Arrivabene soll gemeinsam mit Neuzugang Vettel den Absturz des italienischen Formel-1-Rennstalls stoppen.
Arrivabene war zuletzt Vize-Präsident beim Tabak-Konzern Philip Morris und vertrat die Sponsoren in der Formel-1-Kommission. Die offenbar geplante Rückholaktion von "Superhirn" Ross Brawn, der Michael Schumacher zu fünf Ferrari-Titeln geführt hatte, scheint indes gescheitert.
"In dieser historischen Stunde für Ferrari und die Formel 1 benötigen wir jemanden, der nicht nur Ferrari vollständig versteht, sondern auch die Mechanismen und Bedürfnisse dieses Sports", begründete Ferrari-Präsident Sergio Marchionne am Montag die Berufung von Arrivabene. Für den geschassten Mattiacci ist das ein vernichtendes Zeugnis. Der als Nachfolger von Stefano Domenicali im April engagierte Auto-Manager hatte es nicht geschafft, das immer tiefer in die Krise trudelnde Team zu stabilisieren.
Die sportliche Notlage der stolzen Scuderia hatte im Spätsommer auch den langjährigen Firmen-Patron Präsident Luca di Montezemolo den Posten gekostet. Fiat-Boss Marchionne hat längst genug vom Niedergang des bedeutendsten Formel-1-Rennstalls. Mehr als 60 neue Ingenieure sollen kommen, berichteten italienische Medien. Vettel ist als später Erbe der Ferrari-Ikone Schumacher vorgesehen. Der viermalige Weltmeister soll es besser machen als Fernando Alonso, der in fünf Jahren keinen Titel gewinnen konnte.
Da passte der hilflose Mattiacci nicht mehr ins Bild. Beim Saisonfinale in Abu Dhabi hatte sich der Teamchef auch noch mit dem scheidenden Alonso gezofft. Auf die Lobeshymnen von Mattiacci für den jungen und hungrigen Neuzugang Vettel reagierte der Asturier schwer beleidigt. "Wenn das bedeutet, dass er denkt, dass ich zu alt und nicht motiviert bin, dann ist er zu spät zu Ferrari gekommen", ätzte Alonso und verwies darauf, das Mattiacci seinen Abschied bis zuletzt verhindern wollte.
Auf der Jagd nach dem weit enteilten Weltmeister Mercedes kann sich Ferrari solche Peinlichkeiten nicht mehr leisten. Als WM-Vierter hatte die Scuderia am Saisonende satte 485 Punkte Rückstand auf die Silberpfeile. Nur zu gern hätte Arrivabene wohl deshalb den titelerfahrenen Brawn als Sportchef mitgebracht, wie das Fachmagazin "Auto, Motor und Sport" berichtete. Doch Brawn ließ den TV-Experten Martin Brundle in Abu Dhabi via SMS wissen, er stehe nicht zur Verfügung.
Vettel hatte sich schon vor den jüngsten Entwicklungen auf eine "Mammutaufgabe" bei seinem Traum-Arbeitgeber eingestellt. Schon sein letztes Jahr bei Red Bull war voller Rückschläge, der Abschied fiel deshalb nicht schwer. "Für nächstes Jahr geht es in eine ganz neue Richtung, da freue ich mich drauf", sagte Vettel. Gern hätte der Deutsche schon am Dienstag und Mittwoch bei den Tests in Abu Dhabi im Ferrari gesessen, doch das bleibt Kimi Räikkönen vorbehalten - denn Red Bull stellte sich mit Verweis auf den noch bis 5. Dezember laufenden Vertrag quer. Das ärgerte Vettel gewaltig. Er weiß: Für ihn und Ferrari zählt beim Neuanfang jeder Tag.
Von Christian Hollmann, dpa - Archivbild: Wang Zhao/AFP