Das letzte Rennen der ersten Saisonhälfte beendet das Team MarcVDS mit dem Gefühl, dass mehr drin gewesen wäre. Mika Kallio wurde auf dem Sachsenring Zweiter, Tito Rabat fuhr auf Rang vier.
"Wir haben Freitag und Samstag dominiert und sind der Konkurrenz weggefahren. Dann hat uns im Qualifying in letzter Minute noch Aegerter die Pole weggenommen", erklärt Teamchef Michael Bartholemy. "Aber der Rennrhythmus war gut, ich dachte, dass Mika Kallio gewinnen kann ... und dann ist Aegerter in der vorletzten Kurve vorbeigefahren. Das gleiche ist bei Tito Rabat passiert: Rang drei bis zur letzten Runde und dann ist auch er überholt worden."
"Aber eigentlich war es ein positives Wochenende. Wir hatten beide Fahrer vorne mit dabei, sie sind beide aus der ersten Reihe gestartet. Besser kann es eigentlich nicht sein. Es ist fast nicht möglich, jedes Rennen zu gewinnen!" Und die Saisonbilanz bisher kann sich wirklich sehen lassen: sechs Siege in neun Rennen, insgesamt elf Podiumsplätze, Rang eins und zwei in der WM-Wertung. Und der Drittplatzierte liegt 50 Punkte hinter Spitzenreiter Rabat - umgerechnet sind das zwei Rennen.
Wie erklärt sich diese Dominanz? "Ich denke, wir haben eine super Arbeit gemacht im Winter. Das 2014er Motorrad ist besser als das von letztem Jahr, nicht mehr so aggressiv, alles ein bisschen softer und smoother zum Fahren. Auch die Stabilität mit Mika Kallio - er ist jetzt schon seit vier Jahren bei uns – hat viel gebracht. Selbst, als wir letztes Jahr mit Scott Redding um die WM gefahren sind, war er der Pol, der sehr viel für uns entwickelt hat. Er ist schon seit über zehn Jahren im Grand Prix und bringt also eine Riesenerfahrung mit."
"Wie eine große Familie"
"Dieses Team, das Marc [van der Straten] auf die Beine gestellt hat, funkioniert einfach gut. Wir sind wie eine große Familie, wo eine Ruhe herrscht und absolut niemals Stress aufkommt, auch wenn wir mal daneben liegen. Wir haben zum Beispiel diese Woche in der Qualifikation einen größeren Bock geschossen. Und trotzdem wird es geschluckt und alle sagen: Okay, bisher ist alles super gelaufen, das kann mal passieren. Ich glaube, diese Ruhe macht den großen Unterschied."
"Und dass wir über die letzten Monate super entwickelt haben. Wir haben viele Sachen selber gemacht und sind jetzt im Vorteil mit der Kalex. Außerdem haben wir einen cleveren Vertrag unterschrieben und dürfen über vier-fünf Rennen exklusiv Teile fahren, die die anderen noch nicht haben. Auch das macht momentan den Unterschied zur Konkurrenz", so Bartholemy.
Keine Teamorder
Wichtig ist jetzt, am Ball zu bleiben. 2013 schwächelte das Team nach der Sommerpause, das will Bartholemy dieses Jahr vermeiden. Seine beiden Fahrer sollen den WM-Titel unter sich ausmachen. "Bei uns gibt es keine Teamorder. Aber ich sage den Fahrern auch: Ich möchte 45 Punkte haben - Erster und Zweiter sein. Im Endeffekt: Ihr müsst kämpfen, aber ihr müsst sauber kämpfen. Wenn ihr nicht so sauber mit der Konkurrenz kämpft, das ist etwas anderes, das ist ganz normal. Aber sie sollen vermeiden, sich gegenseitig abzuschießen."
Als nächstes stehen zwei Rennen auf dem Programm, die jeweils einem der beiden Fahrer liegen: Tito Rabat ist stark in Indianapolis, Mika Kallio in Brünn. "Mein Ziel ist, irgendwann 60 oder 70 Punkte Vorsprung zu haben, damit wir auch mal einen Schritt runterfahren können, nicht immer nur am Limit fahren und jedes Rennen gewinnen müssen. Da ist immer ein großes Risiko dabei, wenn du vorne wegfahren möchtest. Wenn man auf schnellen Strecken wie Phillip Island oder Motegi mit dem Motorrad hinfällt, kann man sich ein bisschen mehr wehtun. Mir wäre lieb, dann in der Situation zu sein, dass wir auch mal mit einem vierten Platz leben können."
Bartholemy hofft, dass das Team nicht bis zum letzten Saisonrennen zittern muss und die WM in Australien oder Japan klar machen kann. Wer von beiden Weltmeister wird, spielt keine Rolle. Momentan liegt Rabat vorn, aber Kallio hat in den letzten Rennen aufgeholt. "Mika Kallio hat am Sonntag gesagt: Jetzt fängt die Saison richtig an, jetzt zeige ich dem Spanier mal, wo der Hammer hängt. Aber als Team haben wir keine Präferenz. Wir wollen Weltmeister werden, und am liebsten ebenfalls Zweiter. Es wäre auch schön, wenn Kallio den Titel holt. Finnland hatte keinen Weltmeister mehr seit Anfang der 70er, einen Spanier hat man fast jedes Jahr ... Es wäre schon eine tolle Story, wenn man nochmal einen WM-Titel nach Finnland bringen würde."
Einstieg in die MotoGP
Ist jetzt die Zeit gekommen, in die Königsklasse aufzusteigen? "Die Überlegung ist immer da. MotoGP ist etwas, was immer reizt. Aber man muss mit einem guten Paket an die Sache herangehen. Wenn man nur um die hinteren Positionen fährt, bringt das überhaupt nichts. Und die letzten beiden Jahre hatten wir zwar die besten Fahrer, aber vom Material her fehlte das Super-Angebot. Wir haben entschieden, 2015 auf jeden Fall nicht in die MotoGP zu gehen. Aber 2016 sollte eigentlich unser Einstieg sein."
Zwei Elemente haben dazu den Ausschlag gegeben. "Das Reifenreglement wird geändert, Michelin wird anstelle von Bridgestone in die MotoGP kommen - das heißt es ist für alle neu und wir hätten sogar einen kleinen Vorteil, weil wir in unserem Langstreckenprojekt mit Michelin arbeiten und einen sehr guten Draht zu ihnen haben. Und alle werden die gleiche Elektronik haben. Der Unterschied zwischen einem Motorrad von beispielsweise Marquez und einem schwächeren Open-Motorrad fällt weg. Jeder fährt mit dem gleichen Material, das erhöht die Chancengleichheit und man kann auch als Privatteam mal in die Top Ten fahren. Ja, ich denke, wir sind 2016 in der MotoGP."
Livio Loi
Das Rennen auf dem Sachsenring war sein letzter Auftritt: Livio Loi konnte die Erwartungen nicht erfüllen und wird nicht mehr für MarcVDS in der Moto3 starten. Die Suche nach einem Ersatz für den 17-jährigen Flamen läuft. Das Team steht in Verhandlungen mit drei Fahrern. Marc VDS will Loi weiter unterstützen, möglich wäre die Rückkehr in die spanische Meisterschaft. Mehr dazu im Interview zum Nachhören.Scott Redding
Auch nach seinem Aufstieg in die MotoGP kümmert sich Michael Bartholemy weiter um das Management von Scott Redding. Auf welcher Maschine der Brite 2015 sitzt, steht noch nicht fest.Jack Miller
Nach Angaben von Michael Bartholemy hat MarcVDS einen wasserdichten Vertrag mit Jack Miller bis 2016. 2014 wurde Miller an Ajo Motorsport ausgeliehen, 2015 und 2016 sollte er für MarcVDS in der Moto2 starten. Sein Umfeld will nichts von einem Vertrag wissen. Der Streit wird nun von den Anwälten ausgefochten werden.
Außerdem spricht Michael Bartholemy im Interview über die mangelnde Nachwuchsförderung in Belgien und darüber, weshalb er in der Sommerpause noch mehr zu tun hat als sonst. Jetzt stehen die Verhandlungen mit zwei großen potenziellen Sponsoren und mit den Fahrern an. Mika Kallios Vertrag läuft aus, und auch Tito Rabat darf wechseln, falls er Weltmeister wird und ein Angebot für ein Werksmotorrad in der MotoGP bekommt. Bartholemy hofft, dass beide bei MarcVDS bleiben.
UPDATE: Am Donnerstag meldet das Team, dass Tito Rabat sich entschieden hat, trotz mehrerer Angebote aus der MotoGP auch 2015 mit MarcVDS in der Moto2 an den Start zu gehen. "Ich habe tolle Leute um mich und sie sorgen dafür, dass alles da ist, was ich brauche, um zu gewinnen. Weshalb sollte ich woanders hin gehen?", meint Rabat. "Jetzt, wo alles klar ist, können wir uns auf die zweite Saisonhälfte und unser Ziel - Rennen gewinnen und den Titel einfahren - konzentrieren. Bisher hat kein Moto2-Weltmeister im folgenden Jahr wieder in der Serie angegriffen und versucht, seinen Titel zu verteidigen. Ich hoffe, ich werde der erste sein!"
Bilder: Marc VDS
Ein Grund Stolz zu sein und zu Hoffen das BRF und Grenz-Echo endlich berichten wie es sich für diesen Sport gehört.
PS. Gratulation gilt besonders Michael Bartholemy, danke für die spannenden Stunden .
Gruß
Marc (Fan)