Joseph Blatter bleibt der mächtigste Mann der Fußball-Welt. Und das wahrscheinlich noch für eine weitere komplette Amtszeit bis nach der übernächsten WM. Mit unglaublichem Geschick platzierte der FIFA-Präsident beim Kongress in Sao Paulo seine erneute Kandidatur und stellte seine Gegner aus Europa nur einen Tag nach deren per Verbal-Attacke vorgetragener Rücktrittsforderung ins Abseits.
«Meine Mission ist noch nicht beendet, das sage ich ihnen. Wir werden die neue FIFA errichten», rief der 78-Jährige den Delegierten aus 209 FIFA-Ländern in der ihm vorbehaltenen Schlussansprache zu. Die Kontrahenten hatten laut Protokoll keine Chance mehr zu antworten.
Der Wahlkampf begann für Blatter schon vor der Ankündigung zur Kandidatur, der allerdings noch ein formaler Akt der neuen internen Präsidenten-Prüfung folgen muss. Den Mitgliedsverbänden versprach er nun auch vor Publikum neue Millionenzahlungen aus dem prall gefüllten WM-Geldtopf. Und dann verkündete er noch, dass er plötzlich den Video-Beweis im Fußball nicht mehr ausschließt.
«Warum geben wir den Trainern nicht die Möglichkeit, zwei Entscheidungen anzuzweifeln, wenn sie anderer Meinung sind?», fragte Blatter. Das war eine neue Breitseite gegen die möglichen Herausforderer Michel Platini. Der UEFA-Präsident konnte sich bislang noch nicht einmal mit der neuen Torlinientechnik anfreunden. Nun generiert sich sein Kontrahent schon als radikaler Erneuerer und Mann der Zukunft - im Alter von 78 Jahren.
Die eigene Meinung von gestern ist im Fußball-Funktionärswesen dieser Tage wenig wert. Schließlich hatte Blatter 2011 angekündigt, dass die laufende definitiv seine letzte Amtszeit auf dem FIFA-Thron sein werde.
Und wie reagierte Fußball-Europa? Die Funktionäre schwiegen den gesamten gut siebenstündigen Kongress im Transamerica Expo Center von Sao Paulo. Die UEFA-Delegierten hielten sich damit zwar ans Protokoll, doch eines ist seit Mittwoch auch klar. Ohne den Mut zur großen Revolution wird Blatter kaum aus dem Amt zu drängen sein.
Theoretisch könnte der Schweizer nun sogar noch viel länger FIFA-Chef bleiben, denn sowohl Alterslimit als auch Amtszeitbeschränkung wird es bei der FIFA nicht geben. Beide Anträge als Schlusspunkt der ohnehin dürftigen Demokratiereform schafften nicht einmal die für's Erste notwendige einfache Mehrheit.
dpa - Bild: Fabrice Coffrini (afp)