Der 19. Mai war für alle belgischen Motorrad-Fans ein ganz besonderer Tag. Beim Großen Preis von Le Mans gab es in der Moto2-Klasse ein belgisches Podium - mit Xavier Siméon auf Rang drei und zwei Fahrern vom Team Marc VDS aus Charleroi, dem Briten Scott Redding und Mika Kallio aus Finnland, auf eins und zwei.
"Wenn du bei dem schlechten Wetter in Führung liegst, und als Erster in die Kurve gehst, weißt du nicht, wieviel Grip da ist. Ich war wirklich am Limit, die anderen sind mir so nahe gekommen. Das war wirklich ein großer Erfolg für mich", erzählt Scott Redding. Dieses Wochenende, zwischen dem Rennen in Barcelona und dem in Assen, war Scott Redding in Francorchamps, um ein paar Runden in einem BMW M3 GT4 zu drehen.
"Der Sieg in Mugello war für mich allerdings ein noch größerer Erfolg. Und das nach einem Unfall im freien Training, bei dem das Motorrad komplett zerstört wurde. Das Team musste mir ein ganz neues aufbauen, wir hatte Glück, überhaupt im Qualifying zu sein, und dann hat alles so gut geklappt. Pole Position und Sieg. Ein wirklich schönes Wochenende."
Für Teamchef Michael Bartholemy aus Eupen war es auch ein persönlicher Erfolg. "Viele Leute haben gesagt: Scott Redding, der wird nie ein Rennen gewinnen. Aber wir haben es geschafft. Nach zweieinhalb Jahren Arbeit sind wir da, wo wir hin möchten. Das war ein schöner Moment", sagt Bartholemy über diesen ersten Sieg beim Großen Preis von Frankreich. "Mugello war aber eigentlich für mich noch ein wichtigerer Sieg. Das war richtig dominant. Er hat den anderen 35 gezeigt, wo der Hammer hängt. Jetzt ist er bereit, dieses Jahr können wir um die Wurst fahren."
Ein anderes Ziel, als den WM-Titel einfahren, kommt also nicht in Frage. Scott Redding hat nach sechs Rennen 35 Punkte Vorsprung auf seinen schärfsten Verfolger, Pol Espargaro aus Spanien. Beim ersten Saisonrennen in Katar hatte Espargaro das Duell für sich entschieden, aber mit den beiden Siegen und drei weiteren Top5-Platzierungen zog Redding vorbei.
"Direkt beim ersten Rennen schon mit Pol Espargaro um den Sieg zu kämpfen, hat mir wirklich Vertrauen gegeben. Er hatte gedacht, dass er Weltmeister wird und dass er den Titel schon Mitte der Saison in der Tasche hat. Aber wir wussten, dass es anders kommen wird." Scott Redding hat es geschafft, aus seinem physischen Nachteil - er ist größer und schwerer als die anderen - einen psychischen Vorteil zu machen. "Wenn ich vorne bin, setzt das die anderen unter Druck. Sie wissen, dass ich einen Nachteil habe. Wenn ich dann doch vorne mitfahre, tut das ihnen weh. Das kann ich für mich nutzen."
"Wir haben Probleme wie jeder andere auch. Es ist nicht so, dass wir auf dem Motorrad sitzen und dann funktioniert alles von Anfang an. Aber es gibt nichts, wo man sagen kann, da reagiert er falsch oder das müsste er anders machen. Für mich macht er im Moment eigentlich alles richtig", lobt Teamchef Bartholemy.
Und vielleicht werden wir dann Scott Redding und das Team Marc VDS nächstes Jahr in der Königsklasse Moto GP sehen. Die Entscheidung liegt bei Marc van der Straten, dem Besitzer des Teams. "Wenn du die Arbeit siehst, die wir gemacht haben, würden wir am liebsten raufgehen. Aber die Entscheidung kann nur von Marc gefällt werden", erklärt Bartholemy, der natürlich seinen Fahrer weiter begleiten will.
"Das Know-How und das Wissen, wie es funktioniert, haben wir. Aber das letzte Glied ist Marc. Er muss entscheiden, ob er das Geld investiert." Der Eupener bestätigt, dass das Team mit mehreren Herstellern in Verhandlungen steht. Möglicherweise gibt es schon bald gute Neuigkeiten.
Scott Redding im Sportwagen
Scott Redding hat dieses Wochenende auf der Rennstrecke in Francorchamps im BMW M3 GT4 gesessen. "Das war das erste Mal, dass ich in einem Auto mit so viel PS auf einer Rennstrecke gefahren bin. Ein großer Unterschied für mich!"
Kommandos gab es von Bridgestone-Testfahrer Martin Scheiff aus Eynatten. "Das war toll, jemanden zu haben, der dir sagt wie du fahren sollst - mach es so, hier musst du bremsen, du schaltest zu stark runter. Und dann hieß es irgendwann: Jetzt fährst du alleine", erzählt Scott Redding.
"In den ersten beiden Runden war ich noch etwas nervös, aber dann habe ich an das gedacht, was Martin gesagt hat und mich auf die Linie konzentriert. Eine tolle Strecke, sicher nicht geeignet für Motorradrennen, aber im Auto war es fantastisch."
Die Interviews mit Scott Redding und Michael Bartholemy sind im Player nachzuhören. Scott Redding spricht über die Erfahrung im Rennauto, über seine Saison und über das Team. Und er verrät, was er machen würde, wenn er nicht Motorradrennfahrer wäre. Michael Bartholemy zieht eine erste Saisonzwischenbilanz und spricht auch über Livio Loi, den 16-jährigen Flamen, der in der Moto3 am Start ist.
Bilder: MarcVDS