Mercedes hat in der Reifentest-Affäre der Formel 1 den Vorwurf eines angeblichen Regelverstoßes zurückgewiesen. "Das war kein von Mercedes durchgeführter Test", sagte der Anwalt des deutschen Werktsteams, Paul Harris, am Donnerstag während der Verhandlung in der FIA-Zentrale in Paris. "Es ist unumstößlich, dass der Test von Pirelli durchgeführt wurde."
Der Jurist des deutschen Werksteams berief sich auf Paragraf 22 des Sportlichen Regelwerks, wonach Fahrten verboten sind, die von einem Mitbewerber - im Klartext von einem Rennstall - durchgeführt werden. Pirelli habe die Übungsrunden Mitte Mai beaufsichtigt und auch bezahlt, meinte Harris weiter.
Der Automobil-Weltverband bewertet die Lage anders. Nach Angaben von FIA-Anwalt Mark Howard wurde Mercedes und Hersteller Pirelli nie die offizielle Erlaubnis erteilt, mit dem aktuellen Formel-1-Wagen der Silberpfeile Reifentests zu absolvieren. Jeder angebliche Hinweis von Rennleiter Charlie Whiting in dieser Richtung sei unerheblich, sagte der Jurist der FIA. "Ob Whiting zugestimmt hat oder nicht, das ist irrelevant", zitierte das englische Fachmagazin 'Autosport' Howard.
Tests seien laut Paragraf 22 des Sportlichen Regelwerks verboten, es sei denn, der Motorsport-Weltrat bewilligt eine Änderung. Mercedes und Pirelli müssen sich vor dem Internationalen Tribunal der FIA verantworten. Die Silberpfeile hatten Mitte Mai mit den Stammfahrern Nico Rosberg und Lewis Hamilton drei Tage lang auf der Formel-1-Strecke in Barcelona Reifen für Pirelli getestet. Red Bull und Ferrari legten Protest ein, weil sie aus ihrer Sicht gegen das Verbot von Tests während der Saison verstoßen.
Die Führungsspitze von Mercedes wird von Teamchef Ross Brawn vertreten, für Pirelli ist Motorsportdirektor Paul Hembery angereist. Überraschend wohnt auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner der Anhörung im Salle du Comité bei.
"Alle Teams einladen"
Howard zufolge wurde Whiting am 2. Mai von Mercedes-Teammanager Ron Meadows angerufen, ob die Möglichkeit bestünde, mit dem aktuellen Rennwagen zu testen. Später habe auch Brawn in dieser Angelegenheit angefragt. "Whiting wurde eine generelle und unspezifische Frage gestellt", betonte Howard. Der Rennleiter untersuchte demnach den Sachverhalt und schrieb daher einen FIA-Anwalt an. Dieser antwortete Whiting: Solch ein Test-Szenario sei möglich, es liege aber an Pirelli alle weiteren Teams der Formel 1 einzuladen. Nach Howards Darstellung wurde aber kein anderer Rennstall eingeladen. Keinem anderen Team sei klargemacht worden, dass diese Tests stattfanden.
Howard zufolge informierte Whiting daraufhin Brawn über den Status Quo und wiederholte, dass es sich nicht um eine verbindliche Haltung in der Testfrage handle. "Dieser Austausch war keine Einverständniserklärung der FIA", erklärte Howard. Seiner Ansicht nach hat Mercedes auch durchaus Nutzen aus den Reifentests ziehen können. "Offenkundig gab es Daten, die für Mercedes zugänglich waren", sagte der Jurist. "Es ist schwierig zu sagen, dass Mercedes keinen Nutzen aus dem Test gezogen hat", führte Howard weiter aus und legte nahe, dass Mercedes und Pirelli womöglich gegen Artikel 151c des International Sporting Codes verstoßen haben.
Sportparagraf 151 legt fest, welche Vergehen grundsätzlich als Verletzung von Bestimmungen gewertet werden. Der Absatz c zählt dazu arglistiges Verhalten wie auch jede Handlung, die schädlich für den Wettbewerb oder für die Interessen des Motorsports im Allgemeinen ist.
Mercedes-Anwalt: Auch Ferrari hat die Regeln gebrochen
Mercedes hat sich in der Reifentest-Affäre der Formel 1 über eine Ungleichbehandlung beklagt. "Derselbe Mangel an Transparenz, der uns vorgeworfen wird, ist mit den beiden Tests von Ferrari identisch", zitierte 'Autosport' Anwalt Paul Harris während der Verhandlung in Paris. Wenn das deutsche Werksteam gegen das Testverbot während der Saison verstoßen habe, dann müsse das auch für die Scuderia gelten.
Ferrari absolvierte am 23. und 24. April ebenfalls auf Bitten von Pirelli Runden auf dem Grand-Prix-Kurs bei Barcelona. Allerdings mit einem 2011er Modell. Diese Akte wurde von FIA-Boss Jean Todt, dem ehemaligen Ferrari-Teamchef, im Gegensatz zum "Mercedes-Testgate" jedoch wieder geschlossen.
dpa - Archivbild: Lluis Gene (afp)