Der deutsche Fußball trauert wieder um einen seiner "Helden von Bern": Der 54er-Weltmeister Ottmar Walter starb am Sonntag im Alter von 89 Jahren in einem Kaiserslauterer Altersheim. "Es ist eine traurige Nachricht für den gesamten deutschen Fußball. Ottmar Walter war einer der Spieler, die das Wunder von Bern möglich gemacht haben und damit für Generationen zum Vorbild wurden", meinte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach.
Nach dem Tod des jüngeren Bruders von Fritz Walter leben mit Horst Eckel und Hans Schäfer nur noch zwei Spieler aus jener legendären Mannschaft, die am 4. Juli 1954 das WM-Finale gegen Ungarn nach 0:2-Rückstand noch mit 3:2 (2:2) gewann. "Für mich war es ein sagenhaftes Spiel", hatte Ottmar Walter 2006 der Nachrichtenagentur dpa gesagt.
Genau wie sein älterer Bruder steht er aber nicht nur für den ersten von bislang drei WM-Triumphen einer deutschen Mannschaft, sondern auch für die große Zeit des 1. FC Kaiserslautern. Mit seinem Heimatverein wurde der pfeilschnelle Mittelstürmer 1951 und 1953 deutscher Meister. Außerdem erzielte er die bis heute unerreichte Anzahl von 336 Toren in 321 Pflichtspielen für den FCK.
"Wir sind tieftraurig", sagte der Vorstandsvorsitzende Stefan Kuntz. "Mit Ottmars Tod geht ein weiteres Stück unserer Historie verloren - und damit auch die Werte, die er verkörpert hat: Bodenständigkeit, Vereinstreue, Glaubwürdigkeit. Es bleibt die Erinnerung an einen großartigen Sportler und Menschen."
Die Lauterer ehrten ihren Rekordtorjäger schon zu dessen Lebzeiten, indem sie einen Eingang zum Fritz-Walter-Stadion Ottmar-Walter-Tor nannten. Diese Geschichte zeigt aber auch: Der Bundesverdienstkreuz-Träger stand stets im Schatten seines Bruders, der an diesem Montag vor elf Jahren starb (17. Juni 2002).
"Wer ihn nur als kleinen Bruder vom großen Fritz sieht, der begeht denselben Fehler wie Vater Ludwig. Auch der verkannte zunächst das Talent seines Zweitgeborenen und riet ihm, es mit dem Fußball besser sein zu lassen", stand im März in einer Würdigung zu Ottmar Walters 89. Geburtstag auf der Internetseite des FCK.
Neben seinen unzähligen Toren für die Pfälzer schoss der Stürmer auch zehn Treffer in insgesamt 21 Länderspielen. Zum WM-Triumph von 1954 trug er mit vier Toren in fünf Spielen maßgeblich bei. Dabei hatte nicht nur zu Beginn des legendären Finals gegen Ungarn sondern schon vor dem Turnier nicht viel für die deutsche Mannschaft gesprochen. "Uns haben sie '54 so gut wie ausgebuht", erzählte Walter später. Manch einer habe die Ansicht vertreten, die Mannschaft solle zu Hause bleiben, und das Geld für die Reise besser in die Jugend investiert werden. Als er dann als Weltmeister zurückgekommen sei, habe er sich gerne mit diesen Leuten unterhalten.
Fünf Jahre nach seinem größten Erfolg musste Ottmar Walter seine Karriere nach mehreren Knie-Operationen beenden. Der frühere Marinesoldat hatte aus dem Zweiten Weltkrieg eine schwere Knieverletzung mitgebracht. "In der Geschichte des DFB wird er wie sein Bruder Fritz auf immer einen festen Platz haben. Ottmar Walter wird uns allen nicht nur als herausragender Sportler in Erinnerung bleiben, sondern auch als wunderbarer Mensch, der sein Leben lang für Bodenständigkeit und Bescheidenheit stand", sagte Niersbach.
Wie bescheiden der Verstorbene war, zeigt ein einziger Satz. Die meisten Historiker sind sich darin einig, dass kein anderes Ereignis eine derart identitätsstiftende Wirkung auf die frühe deutsche Nachkriegsgesellschaft hatte wie der WM-Sieg von 1954. Ottmar Walter sagte dazu einmal: "Es scheint doch so, dass wir damals etwas Besonderes geschafft haben."
Weltmeister Flohe gestorben - Koma-Patient schlief friedlich ein
Der 1. FC Köln und der deutsche Fußball trauern um Heinz Flohe. Der Weltmeister von 1974 ist im Alter von 65 Jahren in seiner Heimatstadt Euskirchen gestorben. "Er ist am Samstagabend friedlich eingeschlafen", sagte sein Sohn Nino der Nachrichtenagentur dpa. "Er lag ja jetzt mehr als drei Jahre im Koma, zuletzt war sein Körper sehr schwach. Natürlich sind wir traurig, aber es ist ein Trost für uns, dass er entspannt eingeschlafen ist."
Das Schicksal meinte es nicht gut mit dem früheren Mittelfeldstar des rheinischen Traditionsclubs, mit dem er 1978 das Double aus Meisterschaft und Pokal gewonnen hatte. Seit mehr als drei Jahren lag Flohe nach einem am 11. Mai 2010 erlittenen Schwächeanfall im Wachkoma. Der Wunsch seiner Frau Ursula zu seinem 65. Geburtstag am 28. Januar 2013, "dass er wieder wach wird", ging nicht mehr in Erfüllung.
"Es ist eine Nachricht, die uns alle sehr traurig stimmt", erklärte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. "Heinz Flohe war ein außergewöhnlicher Spieler, der unvergessen bleibt. Unser Beileid und Mitgefühl gehört der Familie, mit der wir bis zuletzt in Kontakt standen und gehofft haben", erklärte Niersbach. "Heinz Flohe war in meiner Jugend mein sportlicher Held. Ich habe ihn immer bewundert und sein früher Tod macht mich sehr traurig", bekannte DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock.
"Er war jemand, auf den man sich verlassen konnte, auf dem Platz und außerhalb. Wir haben immer gehofft, dass er aus dem Koma noch einmal aufwacht, aber leider war das nicht realistisch", sagte Flohes ehemaliger Mitspieler und Freund Stephan Engels. "Wir verlieren mit ihm einen brillanten Fußballer und eine FC-Ikone", sagte der frühere Nationaltorhüter und heutige FC-Vizepräsident Toni Schumacher.
"Er war einer der größten Techniker des 1. FC Köln und des deutschen Fußballs überhaupt", meinte Wolfgang Overath über Flohe. Sein ehemaliger Mitspieler war immer wieder aufs Neue betroffen, wenn er über die Begegnungen mit "Flocke" sprach, wie der 39-malige Nationalspieler nicht nur im Rheinland genannt wurde. "Er liegt da, du streichelst ihm die Wange, er schaut dich mit großen Augen an und dreht sich wieder weg. Und du weißt nicht, ob er überhaupt etwas wahrnimmt." Overath empfand das als "traurig und tragisch. Flocke ist so ein feiner, anständiger, sauberer Kerl", so Overath im Januar.
Ursula und Nino Flohe kümmerten sich bis zuletzt rührend um den Ehemann und Vater. Ursula besuchte ihn fast täglich im Reha-Zentrum, wo er lange lag, künstlich ernährt und 24 Stunden am Tag betreut wurde. "Man arrangiert sich. Heinz hat in meinem Leben oberste Priorität. Ich habe mein Leben auf ihn eingestellt", sagte Ursula Flohe vor einigen Monaten. Sie merkte, ob es ihrem Mann gut ging oder nicht. Er reagierte mit Reflexen, ohne dass seine Familie Gewissheit hatte, dass er etwas wahrnimmt.
Flohe war von 1966 bis 1979 für den 1. FC Köln aktiv und prägte die Glanzzeiten des Vereins mit, für den er 453 Pflichtspiele absolvierte. 1968 und 1977 wurde er mit dem FC Pokalsieger, ein Jahr später führte er das Team als Kapitän zum Double. In der DFB-Elf bestritt er 39 Spiele, erzielte acht Tore, gehörte zur Weltmeister-Mannschaft von 1974 und wurde Vize-Europameister 1976.
1979 wechselte Flohe zu 1860 München. Im gleichen Jahr zog er sich einen komplizierten Schien- und Wadenbeinbruch zu und musste seine Karriere mit 31 Jahren beenden. Danach war er unter anderem als Trainer bei seinem Jugendverein TSC Euskirchen und im Nachwuchsbereich des 1. FC Köln tätig.
Wegen seiner Herzschwäche wurde Flohe im Januar 2004 operiert. Im Mai 2010 brach er bei einem Spaziergang in Köln zusammen. Die Mediziner kämpften um sein Leben. Flohe sollte nach 24 Stunden wieder aus dem künstlichen Schlaf erweckt werden, in den die Ärzte ihn versetzt hatten. Er tat es nicht. "Zuletzt war damit zu rechnen, dass er stirbt. Wir haben fast täglich mit der Nachricht gerechnet. Jetzt ist der Kampf vorbei", sagte Nino Flohe.
Sebastian Stiekel, Ulli Brünger und Dietmar Fuchs, dpa/mh/wb - Bild: Lindsey Parnaby (epa)