Es geht um die geplante Schaffung eines neuen Vorzeigefußballclubs in Antwerpen, da die Scheldestadt zum ersten Mal in der Geschichte nicht in der höchsten belgischen Klasse vertreten ist. Mitte der Woche hieß es, das Überraschungsteam von Zulte-Waregem, immerhin Vizelandesmeister und Champions-League-Anwärter, ziehe um vom Regenbogenstadion in Südwestflandern zum Antwerpener Kiel. Das wurde zunächst fleißig kolportiert und daraufhin dementiert.
Am Freitag nun schreibt "Het Laatste Nieuws", Aufsteiger KV Ostende ziehe um nach Antwerpen! Doch so genau scheint das niemand zu wissen - am allerwenigsten die beteiligten Clubs. Immerhin sah sich auch der Präsident des KV Ostende, Yves Lejaeghere, befleißigt, die Gerüchte zu zerstreuen, sein Club werde demnächst in Antwerpen spielen. Da steige man lieber wieder in die zweite Division ab, so Lejaeghere in einer sehr bestimmt und emotional vorgetragenen Stellungnahme vor der Presse am Freitagvormittag. Der Geschäftsmann aus Brügge hält zu 95 Prozent die Anteile am KV Ostende und muss wissen, wovon er spricht. Er musste allerdings kleinlaut zugeben, dass es ein Vorabkommen über den Verkauf der Stammnummer des Clubs gebe, und zwar ausgerechnet mit Patrick Decuyper, dem Geschäftsführer und Hauptanteilseigner von Zulte-Waregem!
In einem Interview mit dem flämischen Sender VTM hat dieser Patrick Decuyper bestätigt, dass er das Vorabkommen geschlossen habe, zu einem Zeitpunkt, als Ostende noch in der 2. Division war. Demnach sollten Nachwuchsspieler von Zulte-Waregem bei Ostende Spielpraxis sammeln. Nach dem Aufstieg von Ostende gibt es einen Haken: Denn ein und derselbe Eigner darf nicht zwei Clubs in derselben Klasse besitzen. Allerdings steht es Patrick Decuyper frei, diese Stammnummer zu verkaufen - etwa an eine nicht näher genannte Investorengruppe, wie "Het Laatste Nieuws" mutmaßte. Decuyper, der sich als "Buhmann" sieht, sagte, er werde jetzt erstmal in Ruhe nachdenken - übers Wochenende. Es sei übrigens nie seine Absicht gewesen, Zulte-Waregem nach Antwerpen umzusiedeln. Allerdings verbinde ihn mit Ostende nicht so ein enges Band, ließ er vielsagend alle Möglichkeiten offen.
Ist "Verpflanzung" eines Clubs möglich?
Möglich ist es, wie das Beispiel des FC Bleid zeigt, eines Clubs aus dem tiefsten Süden der Provinz Luxemburg, der nun unter dem neuen Namen FC Bleid-Molenbeek in Brüssel angesiedelt ist - übrigens ein Serienkonkurrent des RFC Union Kelmis. Auch das ging letzten Endes alles sehr schnell. Allerdings sind Anträge auf Übernahme der Stammnummer oder auf die Fusion zwischen Vereinen an Fristen gebunden, die mit Blick auf die neue Saison bereits verstrichen sind. Da könnte es in der Tat interessant sein, wie weit das besagte Vorabkommen reicht. Ein Sprecher des Belgischen Fußballverbandes sagte am Freitag, das noch kein Antrag auf Übernahme der Stammnummer des KV Ostende eingegangen sei. Ganz entscheidend ist diese Frist: Bis zum 1. Juni muss die Union Belge wissen, welcher Club wo spielt. Und das ist schon in einer Woche.
Die Frage ist, warum es alle Beteiligten so eilig haben und da kommt die Politik ins Spiel. Antwerpens Bürgermeister Bart De Wever, nach eigenen Worten alles andere als ein Fußballfan, ist es, der einen neuen Vorzeigeclub für seine Stadt als Ziel formuliert hat. Dazu habe er das Gespräch mit Patrick Decuyper gesucht. Ob er dabei wirklich auf Wählerstimmen für 2014 setzt, ist eher fraglich - jedenfalls gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass politische Wahlen durch Fußballfans entschieden wurden. Außerdem stößt es gerade den Antwerpener Fans des in Konkurs gegangenen AC Beerschot sauer auf, dass sich ein auswärtiger Club in ihrem Stadion ansiedeln soll - sie wollen am Montagabend massiv vor dem Stadtrat demonstrieren.
Fraglich ist auch, ob solche wirtschaftlich motivierten Umzüge nach dem Vorbild des amerikanischen Sports in Europa funktionieren - darum soll auch ein neuer Club aus der Taufe gehoben werden, möglicherweise unter dem Namen "Antwerp United". Damit der aber nicht in den Provinzklassen starten müsste, gäbe es die bereits vorexerzierte Lösung der Übernahme von Stammnummern. In diesem Fall frei nach einem geflügelten Wort von Andreas Möller: ob Zulte-Waregem oder Ostende - Hauptsache Antwerpen!
Bild: Kurt Desplenter (belga)