Der Tour-de-France-Seriensieger Alberto Contador ist vom Internationalen Sportgerichtshof zu einer Zweijahressperre bis zum 5. August dieses Jahres verurteilt worden.
Der 29-jährige spanische Radprofi war am 21. Juli 2010 am zweiten Ruhetag der Tour überführt worden, das als Kälbermastmittel verwendete Clenbuterol eingenommen zu haben. Contador hatte für die positive Analyse ein verunreinigtes Steak verantwortlich gemacht und Doping stets bestritten.
Dem Topstar ist damit auch sein dritter Toursieg 2010 und sein zweiter Erfolg beim Giro d'Italia 2011 aberkannt worden.
"Das ist ein trauriger Tag für den Sport. Manche werden von einem Sieg reden, aber das ist nicht der Fall. Es gibt beim Thema Doping keine Gewinner. Jeder Fall ist ein Fall zu viel", sagte UCI-Präsident McQuaid. Er hatte noch nach der Einstellung des Verfahrens gegen Lance Armstrong am Wochenende von einer besseren Zukunft für den Radsport gesprochen.
Durch das Dopingurteil gegen Contador heißt der Sieger der Tour der France 2010 Andy Schleck. Der Luxemburger hatte die Frankreich-Rundfahrt mit 39 Sekunden Rückstand auf Platz 2 beendet. Der Sieg beim Giro d'Italia 2011 wird dem Italiener Michele Scarponi zuerkannt.
Alberto Contador wird aufgrund der Dopingsperre die diesjährige Tour de France verpassen. Außerdem darf er nicht an den Olympischen Spielen in London teilnehmen. Die beiden olympischen Radrennen liegen vor Ablauf der Sperre: das Straßenrennen am 28. Juli und das Zeitfahren am 1. August.
Reaktionen
Der erfolgreichste Radprofi der Geschichte, Eddy Merckx, hat das Dopingurteil gegen Alberto Contador kritisiert. "Zwei Jahre Sperre, das ist definitiv übertrieben", sagte Merckx am Rande der Katar-Rundfahrt, wo er im Organisationskomitee mitarbeitet. Offensichtlich gebe es Leute, die dem Radsport den Todesstoß versetzen wollten. So viel Gerede um Doping gebe es in keiner anderen Sportart. Deshalb werde es immer schwieriger, Sponsoren für Radsport-Events zu finden.
Auch im spanischen Radsport ist das Urtail auf Unverständnis und Empörung gestoßen. Der Tour-Sieger von 2008, Carlos Sastre, meinte: "Das Urteil entbehrt jeder Logik. Man kann einen Profi nicht zu einer Sperre verurteilen, wenn ihm kein Doping nachzuweisen ist." Der Ex-Radprofi und Tour-de-France-Sieger von 1988, Pedro Delgado, sagte: "Im Kampf gegen das Doping verlieren die Verantwortlichen die Orientierung. Das Strafmaß ist völlig übertrieben, zumal wenn man bedenkt, dass das Gericht selbst einräumt, dass Contador das Doping nicht nachgewiesen werden konnte."
Der Spanier sei so hart bestraft worden, weil er die Nummer eins im Radsport sei. "Ein weniger bekannter Radsportler wäre glimpflicher davongekommen." Contador selbst nahm zu dem Urteil zunächst nicht Stellung.
Clenbuterol - Kälbermastmittel als Doping
Der Wirkstoff Clenbuterol unterstützt den Aufbau von Muskeln. Bei hoher Dosierung verlangsamt diese Substanz die Muskelabbauprozesse, die normalerweise ständig im Körper ablaufen. Bei entsprechend angepasstem Trainings- und Ernährungsverhalten kann so ein schneller Muskelaufbau erzielt werden. Immer wieder haben Sportler Clenbuterol verbotenerweise als Dopingmittel benutzt.
Clenbuterol gehört zur Substanzklasse der Beta-2-Agonisten. Solche Wirkstoffe sind in Arzneimitteln gegen Asthma enthalten. Sie erweitern die Bronchien und lassen die Bronchialmuskulatur erschlaffen, um deren Verkrampfung bei einem Asthmaanfall zu lindern. In hohen Dosen können sie die Herzfrequenz und den Blutdruck erhöhen.
Clenbuterol stand mehrmals im Mittelpunkt von Tiermast-Skandalen. Wird Clenbuterol hoch dosiert zur Mast verabreicht, setzen die Tiere schneller Fleisch und weniger Fett an - in der EU ist das verboten.
Chronologie der Doping-Vorwürfe gegen Radprofi Contador
30. Juni 2006: Spanische Medien veröffentlichen einen Tag vor dem Start der Tour de France Namen von 58 Radprofis, die angeblich zu den Kunden des später als "Dopingarzt" in die Annalen eingehenden Gynäkologen Eufemiano Fuentes zählen. Unter dem Kürzel "A.C." soll auch Blut von Contador in Madrid gelagert sein. Seit 2003 ist der spanische Radprofi bei dem wegen Dopingverdachts von der Polizei festgenommenen Teammanager Manolo Saiz unter Vertrag. Contador hat Doping stets bestritten.
1. Juli 2006: Die Tour startet in Straßburg ohne die verdächtigten Fahrer - unter den Ausgeschlossenen ist neben Jan Ullrich und Ivan Basso auch Contador. Sein Name taucht in Zukunft auf der "Fuentes-Liste" nicht mehr auf. Contador weist jeden Doping-Verdacht und illegale Zusammenarbeit mit dem umstrittenen Mediziner von sich. Die Tour endet mit dem spektakulären Dopingfall Floyd Landis.
20. März 2008: Veranstalter ASO schließt die Astana-Mannschaft um Vorjahressieger Contador wegen der Verwicklung des Teams in die Fuentes-Affäre und der Dopingfälle Winokurow und Kaschetschkin von der kommenden Tour aus.
21. Juli 2010: Am zweiten Tour-Ruhetag in Pau werden bei Contador in A- und B-Probe geringe Mengen des Kälbermastmittels Clenbuterol nachgewiesen. Der Befund wird erst zwei Monate später öffentlich. Der jetzt dreifache Toursieger Contador wird von der UCI vorläufig suspendiert, nachdem er seine Saison ohnehin beendet hatte.
5. Februar 2011: Der Königliche Spanische Radsportverband spricht Contador vom Vorwurf des Dopings mit der Begründung frei, dass der Fahrer nachweisen konnte, unverschuldet eine verbotene Substanz zu sich genommen zu haben. Der Verband hob eine ins Auge gefasste einjährige Sperre auf. Contador sprach von einer Lebensmittelverunreinigung als Grund für den positiven Befund.
30. März 2011: Die UCI und wenig später auch die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA legen beim Internationalen Sportgerichtshof CAS Einspruch gegen den Freispruch des Spaniers ein. Der CAS will den brisanten Fall im Juni - noch vor dem Tourstart - verhandeln. Der Termin wird bald auf "Ende August" verlegt, so dass Contador am Tourstart steht. Er hat mit dem Kampf um den Gesamtsieg nichts zu tun und wird in der Endabrechnung Fünfter.
27. August 2011: Der CAS verschiebt die Anhörung ein weiteres Mal auf 21. bis 24. November.
24. November: Der CAS beendet die viertägige Anhörung der Parteien mit der Ankündigung, das Urteil in den kommenden sechs Wochen, also in der ersten Januar-Woche 2012 zu sprechen. Dieser Termin wird noch zweimal verschoben und auf den 6. Februar festgelegt.
6. Februar 2012: Der CAS verurteilt Contador zu einer Zweijahressperre bis 5. August 2012. Außerdem wird sein Toursieg 2010 und der Erfolg beim Giro d'Italia 2011 aberkannt.
belga/dpa/wb - Archivbild: belga