FIFA-Boss Joseph Blatter doziert über die Zukunft des Fußballs, aber die Vergangenheit holt ihn immer wieder ein.
Auch sein thematischer Schauplatzwechsel mit der angekündigten Einführung des Profi-Schiedsrichters und der Torkamera konnte am Dienstag von der schwierigen Aufarbeitung der skandalösen Verbandshistorie nicht ablenken.
Parallel zu seiner Interview-Offensive in europäischen Medien musste der 75 Jahre alte Schweizer eingestehen, dass sich die Veröffentlichung der brisanten Akten über die Schmiergeldaffäre bei der ehemaligen Sportvermarktungsagentur ISL-ISMM auf unbestimmte Zeit verzögern wird. Eine der beteiligten Parteien habe juristische Schritte eingeleitet, die zu diesem Aufschub führen, so Blatter.
138 Millionen Schweizer Franken
Stunden zuvor hatte die Antikorruptions-Organisation Transparency International (TI) die FIFA erneut aufgefordert, Bestechungsvorwürfe aus der Vergangenheit zu klären. «Eine unabhängige Untersuchung von Korruptionsvorwürfen, in der Gegenwart und Vergangenheit, ist zwingend notwendig, wenn die FIFA öffentliche Glaubwürdigkeit zurückgewinnen will», sagte TI-Geschäftsführer Cobus de Swardt.
Eine wichtige Rolle bei der Vergangenheitsbewältigung spielt das 2001 in Konkurs gegangene Schweizer Marketing-Unternehmen ISMM/ISL, das über Jahre FIFA-Funktionäre bestochen haben soll. 2008 vor Gericht dokumentiert sind 138 Millionen Schweizer Franken, die zwischen 1989 und 2001 gezahlt wurden.
Ursprünglich wollte Blatter die mit Spannung erwarteten ISL-Dokumente bei der Sitzung der FIFA-Exekutive am 17. Dezember in Tokio veröffentlichen. Auf der Liste sollen zahlreiche Namen von Funktionären, darunter auch Mitglieder der FIFA-Exekutive, stehen, die in den Korruptionsskandal verwickelt sind.
Die Verzögerung ändere nichts an seinem Vorhaben, so Blatter. «Ich bleibe fest entschlossen, die Dokumente sobald wie möglich zu veröffentlichen, da sie ein wichtiger Teil meiner zahlreichen Reformpläne für die FIFA sind, die die Aufarbeitung der Vergangenheit und den Aufbau einer künftigen Struktur beinhalten», sagte Blatter.
Der Fall Havelange
Auch Blatters Vorgänger als FIFA-Chef, FIFA-Ehrenpräsident Joao Havelange, musste sich mit der ISL-Affäre rumärgern. Der 95 Jahre alte Brasilianer war als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) am Montag zurückgetreten und damit einem wahrscheinlichen Ausschluss aus der Ringe-Organisation zuvorgekommen.
Die IOC-Ethikkommission hatte gegen ihn wegen Bestechungsvorwürfen ermittelt. Havelange soll wie sein ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Teixeira, Mitglied der FIFA-Exekutive, in die ISL-Affäre verwickelt gewesen sein. Beide haben diese Vorwürfe stets bestritten, könnten aber hinter der verzögerten Veröffentlichung der ISL-Papiere stehen.
Für IOC-Präsident Jacques Rogge ist der Fall Havelange offiziell beendet. Alle Ermittlungen gegen den zurückgetretenen Brasilianer werden eingestellt, bestätigte der belgische IOC-Boss Rogge. Ergebnisse der Ermittlungen werden nicht veröffentlicht. Havelange sei ein «privater Bürger». Der Doyen des IOC habe aus gesundheitlichen Gründen die Ringe-Organisation verlassen. Havelange war seit 1963 im IOC und der letzte Funktionär mit einer Mitgliedschaft auf Lebenszeit.
Die FIFA wird unterdessen die Causa Havelange selbst noch bewerten müssen - der Vorgänger von Blatter ist weiter als FIFA-Ehrenpräsident tätig. Havelange soll eine goldene Brücke gebaut werden. Eine offizielle FIFA-Stellungnahme zum Thema Havelange gibt es bisher nicht. Wenigstens Rogge sieht den Weltverband auf dem richtigen Weg: «Die FIFA beginnt gerade mit einer Generalüberholung und das ist gut.»
dpa - Bild: Walter Bieri (epa)