Das WM-Finale wurde noch einmal zu einem Spiegelbild der Saison. 2:28 Stunden lang boten Petra Kvitova und Victoria Asarenka den 13.000 Zuschauern in Istanbul ein ständiges Auf und Ab, ehe sich Wimbledon-Siegerin Kvitova zur Königin eines Tennis-Jahres krönte, in dem nur eines konstant war: die fehlende Konstanz der Protagonistinnen. 33 Turniersiegerinnen gab es in den abgelaufenen zehn Monaten, eine dominante Spielerin dagegen nicht.
An der Spitze der Weltrangliste steht auch am Ende dieses Jahres wieder Caroline Wozniacki - zum zweiten Mal nacheinander. Doch zum Aushängeschild der Szene taugt die Dänin bislang nur außerhalb des Platzes. Wozniacki ist fotogen, verfügt seit ihrer Beziehung mit dem nordirischen Weltklasse-Golfer Rory McIlroy über den nötigen Glamour-Faktor und sorgt mit spaßigen Pressekonferenzen und Twitter-Beiträgen für Schlagzeilen.
Clijsters fehlt
Was fehlt, ist der große sportliche Erfolg. Die 21-Jährige wartet weiter auf den großen Titel, auch beim Saisonabschluss am Bosporus schied Wozniacki vorzeitig aus. Für eine Leaderin des Tennis-Zirkus ist das zu wenig. Ohne die Dauerverletzten Williams-Schwestern Serena und Venus und die seit Monaten pausierende Belgierin Kim Clijsters fehlt es dem Damen-Tennis an den ganz großen Stars, wie sie die Männer-Tour mit Novak Djokovic, Rafael Nadal oder Roger Federer gleich mehrfach zu bieten hat.
Vielleicht kann Petra Kvitova diese Lücke schließen. Nach ihrem kometenhaften Aufstieg beendet die Tschechin das Jahr auf Rang zwei, nachdem sie Ende 2010 noch an Position 34 notiert war. "Zu Anfang der Saison hatte ich keine richtigen Ziele, und auf einmal bin ich die Nummer zwei der Welt. Das ist wie ein Traum", meinte die Tschechin nach dem 7:5, 4:6, 6:3 gegen die Weißrussin Victoria Asarenka. Für ihren zweiten großen Triumph in diesem Jahr kassierte sie ein Preisgeld von 1,75 Millionen Dollar.
Sechs Turniere gewann Kvitova in diesem Jahr, mit dem Gewinn des Fed Cups könnte sie der Saison am kommenden Wochenende sogar noch das i-Tüpfelchen aufsetzen. Doch so beeindruckend die Zahlen sind, auch die Tschechin leistete sich ihre Tiefs. Nach ihrem sensationellen Sieg in Wimbledon gelang ihr monatelang gar nichts, bei den US Open war bereits in der ersten Runde Schluss. Erst unter dem geliebten Hallendach kam sie wieder in Schwung. "Ich fühle mich in der Halle wie ein anderer Mensch." 2012 muss die Tschechin nun beweisen, dass sie das Zeug zum Star und zur Nachfolgerin ihrer prominenten Landsfrauen Martina Navratilova und Jana Novotna hat.
Von Lars Reinefeld, dpa - Bild: Tolga Bozoglu, epa