"Es ist einfach unglaublich. Alles, was auf dem Boden ist, bleibt auf dem Boden. Sobald man dann abhebt und fliegt, zählen nur noch du, das Flugzeug und die Luft um dich herum. Das ist ein ganz besonderes Gefühl. Das ist sehr schwer zu beschreiben."
Für die 21-jährige Mirja Annika Elstner gibt es wohl keine schönere Freizeitbeschäftigung als das Fliegen. Dabei war es wohl eher Zufall, dass der Flugplatz Aachen-Würselen mittlerweile so etwas wie ihr zweites Zuhause geworden ist. Für das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik ist sie aus Schleswig-Holstein nach Aachen gezogen.
Über ein Wahlfach hat sie dann zum ersten Mal in einem Segelflugzeug gesessen und sich auf Anhieb in den Flugsport verliebt. Beim Luftsportverein Aachen hat sie die Ausbildung dann auch direkt in nur anderthalb Jahren abgeschlossen. Mit dem EuregioCup stand am Himmelfahrtswochenende dann ihr erster Segelflugwettbewerb an.
"Es ist nicht die erste große Strecke, die ich fliege, aber es ist die längste. Deshalb bin ich auch ein bisschen aufgeregt, aber nicht zu sehr. Ich habe ja auch meinen Fluglehrer noch mit dabei. Eigentlich ist es nichts anderes als sonst. Der einzige Unterschied ist, dass die Strecke noch etwas länger ist als bisher."
380 Kilometer stehen auf dem Plan des Doppelsitzers, mit dem Mirja und Fluglehrer Peter an dem Wettbewerb teilnehmen. Die Flugzeit beträgt rund sechs Stunden. Während des gesamten Fluges müssen sich die Piloten gut konzentrieren. Denn Segelflugzeuge fliegen ohne Motor. In der Luft werden sie durch Thermik gehalten.
"Wir müssen erst einmal hochgezogen werden. Das machen wir in der Schulung normalerweise mit einer Seilwinde. Heute machen wir es für den Wettbewerb mit einem Flugzeugschlepp. Das heißt, dass wir ein kürzeres Seil nutzen mit einem Motorflugzeug vorweg", erklärt Sylvia Carola Schuster, Fluglehrerin vom Luftsportverein Aachen.
"Die Teilnehmer bekommen eine Strecke, die sie abfliegen müssen. Auf dem Weg zu den verschiedenen Punkten müssen die Teilnehmer immer wieder neue Thermik, also einen neuen Aufwind, finden. Die Flugzeuge kreisen dann, bis sie wieder nach oben kommen. Dann gleiten sie wieder ab und suchen nach dem nächsten Aufwind. Ziel ist es dann, so schnell wie möglich wieder zum Startpunkt am Flugplatz zurückzukommen." Abhängig vom Flugzeugtyp erreichen die Piloten Geschwindigkeiten von bis zu 200 Stundenkilometern.
Bleibt die Thermik aus oder hat ein Pilot sich bei der Suche nach dem Aufwind verschätzt, kommt es nicht selten zu einer Außenlandung. Dabei sucht der Pilot sich eine geeignete Stelle (zum Beispiel ein freies Feld) und landet das Flugzeug dort. Der Pilot muss dann mitsamt des Flugzeugs abgeholt werden. Mirja und Peter kann das heute nicht passieren, denn ihr Doppelsitzer hat einen kleinen Motor, der beim Rückflug hilft, sollte die Thermik ausbleiben. Im besten Fall bleibt der Motor aber ungenutzt - die Wertung für die EuregioCup wäre hin.
Genau wie Mirja interessieren sich immer mehr junge Menschen für das Segelfliegen. Insgesamt hat der Verein rund 200 Mitglieder, 60 von ihnen sind jünger als 30. Mit der Ausbildung kann man bereits im Alter von 14 Jahren starten. Die Lizenz gibt es frühestens im Alter von 17 Jahren. Der Luftsportverein hat auch eine Ausbildungsgemeinschaft mit anderen Vereinen am Flughafen Aachen-Würselen. Gerade für junge Menschen sei der Sport ideal.
"Ein eigenes Flugzeug muss man sich nicht kaufen, die Vereine haben Flugzeuge die man nutzen kann. Was die Kosten generell angeht: Es ist nicht ganz ohne, aber es ist auch nicht so teuer, wie man denkt", erklärt Mirja.
"Bei uns am Flugplatz haben wir inzwischen eine Windenpauschale. Man bezahlt also einmal in Jahr einen festen Preis und darf dafür so viele Windenstarts machen, wie man will und aus so viel fliegen, wie man will. Dann kommen noch so ein paar kleine Sachen dazu. Zum Beispiel die Kosten für die Theorieprüfung oder für die praktische Prüfung, aber die sind tatsächlich sehr gering."
Mit der Freiheit, die die Segelflieger in der Luft haben, geht aber auch eine große Veranstwortung einher. Und das gilt nicht nur in luftigen Höhen, sondern auch auf festem Boden.
"Segelfliegen ist ein sehr zeitaufwendiges Hobby. Mal kurz vorbeikommen, ein bisschen fliegen und dann wieder nach Hause gehen ist nicht möglich. Ein klassischer Segelflugtag ist wirklich ein ganzer Tag. Morgens gibt es ein Briefing, dort wird besprochen, wie der Tag abläuft, wie der Start abläuft, wie stark der Wind und die Thermik sind. Den Tag über wird dann geflogen, abends wird gelandet, geputzt und aufgeräumt. Im Winter werden die Flugzeuge dann gewartet. Es ist also schon aufwendiger, aber es lohnt sich", so Sylvia Carola Schuster.
Gelohnt hat es sich auch für Mirja. Zwar mussten vier der fünf geplanten Wettbewerbstage aufgrund des Wetters abgesagt werden, bei ihrem bisher längsten Flug hat die Pilotin sich aber gut geschlagen und ist in der Tageswertung auf den zehnten Platz geflogen.
Lindsay Ahn