Die Tour de France 2010 ist mit dem Gesamtsieg von Alberto Contador zu Ende gegangen. Der Spanier schickt sich an, mit seinem dritten Erfolg in die Fußstapfen der Großen zu treten. Für einen der ganz Großen, für den siebenfachen Toursieger Lance Armstrong war die Tour 2010 eine Tour der Leiden.
Die Veranstalter sind zufrieden: Die Tour de France war so spannend wie schon lange nicht mehr. Fast jeden Tag gab es spektakuläre Siege, aber auch dramatische Niederlagen live im Fernsehen mitzuerleben. Die gesprungene Kette von Andy Schleck oder die Tränen des verunsicherten Alberto Contador nach dem überraschend nur knapp gewonnen Zeitfahren in Pauillac werden als Bilder bleiben.
Oder auch die Tränen des als arrogant geltenden Mark Cavendish nach seinem ersten Etappensieg, den er selbst schon nicht mehr für möglich gehalten hatte nach einem schwachen Beginn bei dieser Tour. Danach sollten ja noch vier weitere Etappensiege für Cavendish folgen, der jetzt mit einem gewissen Freddy Martens gleich gezogen hat: Beide haben jetzt 15 Etappensiege auf dem Konto, mit dem Unterschied, dass Cavendish im nächsten Jahr noch weitere Etappensiege hinzufügen kann.
Überhaupt nächstes Jahr: Davon war gestern in Paris schon viel die Rede. Alle hoffen, dass der Luxemburger Andy Schleck im nächsten Jahr wieder angreifen wird und irgendwie hoffen auch viele, dass Schleck im nächsten Jahr gewinnen wird. Der 25-jährige Schleck im weißen Trikot und mit weißer Weste gilt als Hoffnungsträger einer neuen Radsportgeneration.
Doch verdient der nur drei Jahre ältere Alberto Contador diese Missgunst vieler Radsportfreunde, die lieber Andy Schleck auf dem höchsten Treppchen gesehen hätten? Man wirft dem Spanier Unfairness vor, weil er angegriffen hat, als Schleck nach einem Schaltfehler sein Problem mit der Kette hatte. Man wirft dem Spanier aber auch inoffiziell noch immer vor, in Sachen Doping nicht immer die Wahrheit gesagt zu haben. Fragen zum Thema Doping werden von Alberto Contador und seinem Rennstall nur ungern und ausweichend beantwortet, sagen die Kritiker.
Doping und Dopingkontrollen haben bei dieser Tour de France 2010 keine Rolle gespielt: Zumindest ist bislang nichts bekannt geworden. Vielleicht hat sich aber auch nur die Haltung der Medien geändert. Die Tatsache, dass gegen den Gewinner des grünen Trikots, den Italiener Alessandro Petacchi, Ermittlungen wegen des Verdachts auf Doping eingeleitet worden sind, ist in der Fachpresse nahezu unkommentiert geblieben. Dabei ist es die Staatsanwaltschaft, die in Italien offiziell gegen Petacchi ermittelt. Es geht nicht um Beschuldigungen von Konkurrenten oder um die berühmt-berüchtigte Gerüchteküche.
Auch der tragische Held dieser Tour 2010, der fünfmal gestürzte Lance Armstrong wird sich in den kommenden Tagen mit der Justiz seines Landes auseinandersetzen müssen. Nicht nur sein Ex-Konkurrent Floyd Landis, sondern auch die Staatsanwälte gehen davon aus, dass der Amerikaner jahrelang systematisch gedopt hat und dass seine sieben Siege bei der Tour de France nicht ohne verbotene Hilfsmittel zustande gekommen sind.
Die Welt des internationalen Radsports wird sich mit den Ergebnissen der Ermittlungen in den USA wohl oder übel befassen müssen. Das Kapitel Doping ist noch längst nicht abgeschlossen, auch nicht für die Tour de France. Das müssen die Veranstalter des größten Radrennens der Welt endlich einsehen. Das Thema Doping lässt sich nicht totschweigen.
Bilder: epa