In der ganzen Stadt ist fast kein Hotelzimmer mehr zu kriegen. Gastgeber Südafrika schickt zur Sicherheit seine Elite-Einheiten vorbei. «Bloemfontein wird am Sonntag komplett verrückt spielen», sagt einer der vielen WM-Helfer. Die 600.000-Einwohner-Stadt erwartet den Ansturm von tausenden Fans und Journalisten, die die Fußball-Nationalmannschaften von Deutschland und England zum WM-Achtelfinalspiel begleiten.
Ein Tollhaus
Rein fußballerisch betrachtet ist Bloemfontein der richtige Ort für diesen Klassiker. Er hat auch außerhalb der WM-Zeiten die mit Abstand heißblütigsten Fans des Landes. Das Rugby-Team der Cheetahs oder die Fußballer der Celtics spielen jedes Mal in einem Tollhaus, auch «Bafana Bafana» wurde am Dienstag im «Free State Stadium» trotz seines Ausscheidens begeistert gefeiert. Das Bemerkenswerte an Bloemfontein ist aber, dass es sich immer nur für die Dauer eines Rugby- oder Fußball-Spiels komplett vergisst. Ansonsten steht es in dem Ruf, die langweiligste Stadt Südafrikas zu sein.
Die langweiligste Stadt Südafrikas
In der Universitäts- und Gerichtsstadt im Herzen des Landes geht es meist ziemlich ruhig und gemächlich zu. Die Kriminalitätsrate ist deutlich niedriger als an anderen Orten, das Verkehrsaufkommen erst recht. Läge das Stadion nicht in der Nähe des Zentrums und hätte die Stadt nicht ihre wichtigsten Straßen und historischen Gebäude mit den Fahnen der zehn hier im Einsatz gewesenen Vorrunden-Teams beflaggt, würde kaum jemand merken, an einem Spielort der Fußball-WM zu sein.
Am Samstagnachmittag erlebte die Stadt so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm. Noch sind keine Massen an Deutschland- oder England-Fans in der Stadt. Und die, die schon da sind - in großer Mehrheit Engländer - genossen rund um die Shopping-Mall «Waterfront» die Sonne.
Die Stadt der Geparden
Bloemfontein ist ein Ort der Kontraste. Er ist historisch betrachtet eine Hochburg der Buren, 1912 wurde hier aber auch die Mandela-Partei ANC gegründet. Während der WM-Wochen stürzten die Temperaturen von tagsüber rund 20 auf nachts höchstens drei Grad ab. Außerdem möchte sich die Stadt demnächst in Mangaung umbenennen, was übersetzt so etwas wie «Ort der Geparden» bedeutet und damit dem schnellsten Tier auf Erden huldigt. «Dabei ist die Lebensart hier viel langsamer als anderswo», sagt ein Taxifahrer und lacht dabei.
Rugby für Weiße, Fußball für Schwarze
Auch wenn das WM-Fieber hier nur in kurzen, heftigen Schüben ausbricht, wird die Hauptstadt der Provinz Free State davon noch über Jahre profitieren. Bis zum Confed Cup vor einem Jahr zogen sich noch die alten kulturellen Risse durch die Stadt, erklärt Harold Verster, der Generaldirektor der Cheetahs: «Zum Rugby gingen nur Weiße, zum Fußball Schwarze.» Der Confed Cup und die WM hätten das verändert.
«Mein Vater hatte in seinem Leben noch nie ein Fußball-Spiel gesehen», erzählt die Tochter eines traditionsbewussten Buren. «Jetzt kennt er jeden Spieler der WM.» Er wird am Sonntag England unterstützen, was ausnahmsweise keine Besonderheit Bloemfonteins ist. Das tun aus historischen Gründen die meisten Südafrikaner.
Sebastian Stiekel (dpa) - Bild: epa