Ganz knapp haben die St. Vither Roller Bulls den Aufstieg in die erste Rollstuhlbasketballbundesliga verpasst - im direkten Duell mit den Rhine River Rhinos aus Wiesbaden. "Schade, wir haben einen fetten Durchhänger gehabt, das hat uns die Saison gekostet", sagt Stefan Veithen, "dieses Jahr hat man vielleicht mehr Möglichkeiten, weil man dreimal aufeinander trifft anstatt zweimal, also wird vielleicht der eine oder andere Fehler verziehen."
Dass die neue Spielzeit, die für die Roller Bulls am 8. Oktober mit einem Heimspiel gegen die München Iguanas beginnt, bis Ende März "gestreckt" wird, liegt an der besonderen Konstellation in der 2. Bundesliga Süd: "Frankfurt 1 ist abgestiegen, so waren zwei Frankfurter Mannschaften in der zweiten Liga, das haben sie finanziell nicht getragen bekommen. Somit war schon eine Mannschaft weniger."
Die Aufsteiger Salzburg und Luxemburg wollten ebenfalls aus finanziellen Gründen lieber in der Regionalliga weiter spielen. "Auf einmal waren es nur noch sechs Mannschaften", rechnet Stefan Veithen vor, "das wären nur mehr fünf Heimspiele. Daraufhin haben wir und die Iguanas München Druck gemacht und dem Verband gesagt: Das kann nicht sein. Wir können den Sponsoren und den Zuschauern das nicht antun."
Innerhalb von zwei Wochen wurde dann ein Kompromiss gefunden mit einer "anderthalben Saison": Die Roller Bulls spielen etwa gegen München, Ulm und Heidelberg zweimal zu Hause und einmal auswärts, dafür zweimal in Frankfurt und Wetzlaer bei einem Heimspiel gegen die Mainhatten Skywheelers und gegen die Zweitvertretung von Lahn-Dill. "Es ist bestimmt keine ideale Lösung, aber es ist das beste, was wir aus dieser verzwickten Situation machen konnten", findet Stefan Veithen.
Boterberg und Fievet gehen
Das ist aber weitem nicht die einzige Neuerung bei den Roller Bulls, die einen Umbruch vollziehen: Den erfolgreichsten Korbwerfer Lorenzo Boterberg zieht es in die französische Liga nach Saint-Avold. Ralph Huylebroek muss wegen der Arbeit kürzer treten und hat sich wegen der kürzeren Anfahrtswege für Brügge entschieden.
"Aber am meisten hat uns getroffen, dass Arthur Fievet uns verlassen wird in Richtung Île de la Réunion, wo er seinen Beruf ergreifen wird", bedauert Teammanager Edgard Boemer. Der junge Mann aus Landelies bei Charleroi hat sein Studium zum Physiotherapeuten abgeschlossen und will für ein Jahr in dem französischen Übersee-Département östlich von Madagaskar Berufserfahrung sammeln.
"Er wird uns Anfang November verlassen. Das wussten wir vorher, macht uns aber traurig, weil er war halt die Spielergestalt der letzten Saison", fügt Edgard Boemer hinzu. Fievet steht noch für die ersten Meisterschaftsspiele zur Verfügung, nicht aber mehr für die Pokalrunde am 5. November in München.
Pieter Dries ist zurück
Auf der anderen Seite stoßen Leute mit Erfahrung zu den Roller Bulls hinzu, wie Rückkehrer Pieter Dries aus Turnhout: "Einmal Bulls, immer Bulls", sagt Edgard Boemer. Vor vier Jahren hatte Dries sich zunächst als Profi im spanischen Getafe versucht, wechselte später nach Kaiserslautern und spielte zuletzt in Herk de Stad. Dort fand der junge Familienvater nicht mehr die nötige Herausforderung. "Er musste auch nicht überredet werden, er war sofort bereit, wieder mit uns zu spielen", so Boemer.
Viel verspricht sich der Teammanager von Neuzugang Nazif Comor aus Brüssel. Der 44-Jährige sei ein Spieler, der die anderen mitziehen könne: "Er hat eine Aura und bringt unheimlich viel mit, was er gelernt hat in Frankreich, vor allem in Meaux, wo er fünf Jahre Spitze gespielt hat. Die sind immer französischer Meister geworden, haben den Europacup gewonnen - das ist das Lahn-Dill von Frankreich."
Mit Auslandserfahrung in Israel und Italien (Cagliari) kann auch der 41-jährige Quoc Binh Pho aus Brüssel aufwarten. Zweimal hat er auch schon für die Roller Bulls gespielt (1996-1998 und 2001-2004) und war Kapitän der belgischen Nationalmannschaft im Rollstuhlbasketball. "Binh ist mental sehr stark und wenn es mal schief läuft, wird er derjenige sein, der die Kollegen hochhalten kann", hofft Edgard Boemer.
Und dann ist da noch der großgewachsene David Offermann aus Soumagne, der als Fußgänger eine ordentliche Karriere als Basketballspieler hingelegt hat, ehe ihn ein Unfall stoppte: "Der Mensch ist unheimlich ehrgeizig", sagt Edgard Boemer, "nach seinem Unfall hat er Handbike gemacht und durchgezogen bis zum belgischen Meistertitel, wollte unbedingt zu den Paralympics nach Rio, was er aber nicht geschafft hat." Vor zwei Jahren war Offermann schon ein erstes Mal bei den Roller Bulls: "Was er lernen muss, ist mit dem Rollstuhl umzugehen. Werfen - das kann er!"
Spielertrainerduo Veithen-Bernal
Soviel also zu den Abgängen und Neuzugängen bei den Roller Bulls. Auch auf der Trainerposition gibt es - mal wieder - einen Wechsel: Michael Maréchal, erst vor einem Jahr als Coach angetreten, warf zum Ende der vergangenen Saison das Handtuch, weil sich seine Vorstellungen nicht mit denen der Mannschaft deckten: "Somit sind wir auseinander gegangen, ohne zu viel Probleme zu haben", resümiert Teammanager Boemer.
Und weil es nicht so einfach ist, Rollstuhlbasketballtrainer mit Erfahrung nach St. Vith zu ziehen, übernehmen Stefan Veithen und Juan Bernal wieder gemeinsam die Aufgaben als Spielertrainer: "Klar gibt es bessere Trainer als mich", sagt Stefan Veithen, "aber im Endeffekt war vielleicht doch nicht alles so schlecht in der Saison 2013-2014. Ich habe hinzugelernt, habe neue Ideen, bin auch reifer geworden und die Mannschaft steht mehr hinter einem als sonst. Das stärkt mir natürlich den Rücken. Es ist mit viel Arbeit verbunden, das ist klar, aber ich freue mich drauf."
Freuen dürfen sich die Fans der Roller Bulls auf das erste Heimspiel am 8. Oktober gegen die München Iguanas. Drei Wochen später ist dann Ulm im St. Vither Sport- und Freizeitzentrum zu Gast.
Stephan Pesch