Island startete mit der gleichen Aufstellung wie beim sensationellen 2:1 gegen England. Die Trainer Lars Lagerbäck und Heimir Hallgrímsson vertrauten gegen den Turnier-Gastgeber damit zum fünften Mal der gleichen Formation im 4-4-2-System.
Frankreich begann mit Debütant Samuel Umtiti. Der 22-Jährige ersetzte den gesperrten Adil Rami in der Innenverteidigung. Im Mittelfeld rückt Moussa Sissoko in die Anfangsformation. Dort fehlte N'Golo Kanté, der ebenfalls nach zwei Gelben Karten aussetzen musste. Trainer Didier Deschamps richtete seine Mannschaft taktisch wie in der zweiten Halbzeit beim 2:1-Achtelfinalsieg über Irland aus. Statt des üblichen 4-3-3-Systems agierte sein Team in einer 4-2-3-1-Formation.
Der erste Torschuss gehörte den Isländern. Gylfi Sigurdsson brachte sich halbrechts im Strafraum gegen Matuidi in Position - aber keine Mühe für Hugo Lloris.
Nach fünf Minuten dann auch Frankreich: Dimitri Payet zog ab, Islands Hannes Halldorsson sicherte den Ball im Nachfassen.
Dann die frühe Führung für die Franzosen: Blaise Matuidi spielte Olivier Giroud mit einem weiten Ball von der Mittellinie links im Strafraum frei. Der Angreifer zog aus spitzem Winkel sofort ab und traf durch die Beine Halldorsson. Das 1:0 in der 12. Minute.
Sieben Minuten später stand es 2:0. Antoine Griezmann brachte den ersten Eckball vors Tor, Paul Pogba stieg höher als Jon Dadi Bödvarsson und köpfte ein ins linke Toreck.
Die Franzosen sichtlich befreit, auch wenn sie fast in die isländische Falle getappt wären: Weiter Einwurf von Aron Gunnarsson, Kopfballverlängerung von Kolbeinn Sigthorsson und Bödvarsson spitzelte den Ball knapp übers Tor - so hatten die Isländer schon England überrascht.
Die Franzosen verwalteten nun ihren Vorsprung. Payet drang über links in den Sechzehner ein und bediente den aufgerückten Matuidi an der Strafraumgrenze, der nahm das Leder volley, schoss aber vorbei.
Noch vor der Pause fiel dann per Doppelschlag die Entscheidung: Erst zog Payet auf Zuspiel von Griezman mit links zum 3:0 ab (43.), dann besorgte Griezman selbst nach Pogbas Zuckerpass, den Giraud durchlaufen ließ, mit einem schönen Lupfer über Halldorsson das 4:0 - praktisch mit dem Pausenpfiff.
Nach der Pause Doppelwechsel bei den Isländern: Sverrir Ingi Ingason kam für Kári Arnason, Alfred Finnbogason ersetzte Bödvarsson - wohl um ein größeres Debakel zu verhindern. Doch was aussah wie ein Nichtangriffspakt, löste sich in einem Tor für Island auf: Auf Vorlage von Sigurdsson machte Sigthorsson am ersten Pfosten das Bein lang und schob zum 1:4 ins rechte Toreck ein.
Das konnten die Franzosen nicht auf sich sitzen lassen: Keine drei Minuten später verwertete Giroud einen präzise Freistoßflanke von Payet mit dem Kopf zum 5:1 - sein dritter Treffer bei dieser EM, ehe er durch André-Pierre Gignac ersetzt wurde.
Die Isländer wirkten aber keineswegs niedergeschlagen: Wieder sorgte ein Einwurf für Gefahr, der Ball landet bei Finnbogason, dessen Schuss nur knapp am Tor vorbei ging. Und auch Lloris musste sich noch beweisen: Ein Eckball von rechts landet bei Ingason, dessen Kopfball aus vier Metern der französische Schlussmann mit einem Arm über die Latte lenkte.
Wenig später sprang der Ball Patrice Evra im französischen Strafraum an den Arm. Schiedsrichter Björn Kuipers ließ weiterspielen.
Weil Island weiter munter mitspielte, ergab sich Raum zum Kontern für die Franzosen, die nacheinander Gignac und Payet aber nicht zu einem weiteren Torerfolg nutzen konnten.
Gut zehn Minuten vor dem Ende durfte Torschütze Payet vorzeitig zum Duschen, für ihn kam Kingsley Coman. Vorher war schon Eliaquim Mangala für Laurent Koscielny ins Spiel gekommen.
Und dann durfte auch noch die isländische Fußball-Legende Eidur Gudjohnsen mitmischen, er wurde für Sigthorsson eingewechselt und erhielt gleich die Kapitänsbinde. Keine Minute auf dem Platz wurde er Zeuge eines weiteren Treffers der Isländer: Birkir Bjarnason verkürzte in der 84. Minute auf 2:5 .
Trotz der klaren Niederlage können die tapferen Isländer erhobenen Hauptes die EM verlassen, bei der sie kaum jemand so auf dem Zettel hatte.
Für den heute überzeugenden EM-Gastgeber Frankreich steht mit dem Halbfinale gegen Deutschland am Donnerstag in Marseille die erste große Hürde auf dem Programm.
Stephan Pesch - Bild: Miguel Medina/AFP