Seit den 1970er Jahren führen alle EU-Mitgliedsstaaten ihre Buchhaltung nach gemeinsamen Normen. So sollen die Haushalte vergleichbar gemacht und sichergestellt werden, dass die Defizite der einzelnen Staaten nicht über die Vorgaben der EU hinausgehen. Die SEC-Normen an sich sind also gar nicht das Problem. Viel mehr geht es in der aktuellen Diskussion um die Kombination der letzten Version der SEC-Normen aus dem Jahr 2010 mit Vorgabe, dass ab 2018 alle Haushalte ausgeglichen sein müssen.
"Das Problem besteht darin, dass dann keine Abschreibungen mehr für Investitionen möglich werden, man also die Investitionen in das Haushaltsjahr zu verbuchen hat, in dem sie getätigt werden. Wenn man dann nicht ins Minus gehen darf, führt es dazu, dass die Investitionskapazität der öffentlichen Hand massiv eingeschränkt wird. Das hat mittelfristig sicherlich auch negative Auswirkungen auf wirtschaftliche Entwicklung, damit auf die Konjunktur, damit auch auf die Steuereinnahmen des Staates", erklärt Ministerpräsident Oliver Paasch.
Sollten die SEC-Normen bis 2018 also so bleiben wie bisher, könnten Gebietskörperschaften dann jedes Jahr nur das Geld investieren, was ihnen nach Abzug der laufenden Kosten noch von den Einnahmen aus dem selben Jahr bleibt. Bei großen Haushalten, wie denen von ganzen Staaten, ist das im Grunde genommen kein Problem. Sie haben jedes Jahr genug Überschuss, um auch größere Investitionen zu stemmen. Für kleine Organe bedeutet die Regelung hingegen eine riesige Einschränkung. "Selbst wenn man in der Vergangenheit gut gewirtschaftet hat, selbst wenn es gelungen ist, Reserven anzulegen, werden diese Reserven ab 2018 nicht mehr in Investitionen umgemünzt werden dürfen, weil das Jährlichkeitsprinzip gilt. Das würde bedeuten, dass eine Gemeinde mit ein oder zwei Millionen Euro Reserven und einem Investitionsprojekt in eine Schule beispielsweise von 500.000 Euro, die dann im Jahr 2019 nicht mehr tätigen darf", so Paasch.
Große Investitionen wie Straßen-, Kanalarbeiten oder große Bauprojekte werden also für die Gemeinden ab 2018 quasi unmöglich. Denn wie soll eine Gemeinde zum Beispiel eine Straße instandsetzen, wenn die Baukosten höher sind als der Betrag, den sie am Ende vom Jahr übrig hat? "Deshalb fordern eigentlich alle Gebietskörperschaften in Belgien, dass man eine so große Zukunftsinvestition - so wie das in der Privatwirtschaft möglich ist - auf mehrere Jahre abschreibt und dann einen ausgeglichenen Haushalt erzielt. Das ist auch die Forderung der Deutschsprachigen Gemeinschaft, die Forderung Gesamtbelgiens, aber die europäische Ebene bewegt sich nicht", erklärt der Ministerpräsident.
Dabei ist das Problem mittlerweile nicht nur in Belgien Thema. Viele Länder erkennen die Probleme, die ab 2018 auf sie zukommen. Vor allem, weil die europäische Kontrollbehörde Eurostat die SEC-Normen jedes Jahr strenger auslegt und dadurch alternative Finanzierungswege, zum Beispiel durch Interkommunale oder PPP-Projekte, versperrt. "Ich kritisiere an dieser Vorgehensweise von Eurostat und auch der Europäischen Kommission, dass wir mittelfristig in eine Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen auch in eine Privatisierung von öffentlichem Eigentum hineingezwungen werden, die wir nicht wollen, die ich gesellschaftspolitisch für falsch halte, und die am Ende dem Steuerzahler noch mehr Geld kostet, als das heute bei Invesetitionen der Fall ist", so Oliver Passch weiter.
Sollte sich an den aktuellen Verhältnissen also nichts ändern, bliebe den Gemeinden nur, große Bauprojekte entweder von privaten Unternehmen verwirklichen zu lassen oder sich mit anderen Gemeinden zusammen zu schließen. So könnte zum Beispiel Antwerpen in einem Jahr auf Instandsetzungsarbeiten am Hafen verzichten, damit Brüssel genug Geld hat, seine Tunnel zu sanieren. Und wie gut diese Kooperation in der Praxis funktionieren würde, kann sich dann bitte jeder selbst ausmalen.
ake/sr - Bild: Julien Claessen/BRF
Wo ich gerade den teuren Koloss am Kehrweg sehe, fällt mir die Frage ein, ob das Problem mit dem feuchten Keller dort wohl mittlerweile geregelt ist? Oder steht die PDG-Druckerei noch immer am Kaperberg? Und dreht sich das hoch gelobte Infrastruktur-Karussell der DG überhaupt bald mal zu Ende? Werden Staatsarchiv und PDS tatsächlich mal den Umzug in neue, zusätzliche Räume am Kaperberg erleben?