Der Schulhof als Treffpunkt für eine Begegnung der etwas anderen Art. Asylbewerber aus dem Fedasil-Zentrum in Elsenborn sind gekommen, um Schülern über ihre Erfahrungen zu berichten. Begleitet werden sie von Ehrenamtlichen wie Werner Margraff und Silke Roderburg-Neuens.
"Werner und ich haben den ersten Bus damals mit empfangen und sind dann in die Kleiderbörse eingestiegen. Und jetzt ist das Projekt, das für uns einfach wichtig ist. Wir wollen einfach, dass die anderen Menschen die Flüchtlinge kennenlernen. Das funktioniert nur in der Begegnung, also Auge in Auge. Das ist doch etwas anderes, als wenn man das über Facebook oder Fernsehen oder sonst was erlebt", sagte Silke Roderburg-Neuens.
Vor den Schülern sitzen Menschen aus Fleisch und Blut, die berichten, warum sie ihre Heimat verlassen und einen Teil der Familie zurücklassen mussten. Wie es ihnen auf ihrer Flucht ergangen ist. Wie sie von Schleppern ausgebeutet wurden. Wie sie an der ungarischen Grenze schikaniert wurden und wie ihnen von unerwarteter Seite geholfen wurde: Alhamzah, von Beruf Kameramann, erzählt von einem Obdachlosen in München, der ihm seine Jacke gegeben und ein Zugticket besorgt habe. Wenn erst einmal sein Asylantrag genehmigt sei, will sich der Iraker revanchieren und den Mann bei sich aufnehmen.
Geschichten, die bei den Schülern Eindruck hinterlassen. "Ja, ich fand das sehr interessant, auch dass normale Leute, sage ich jetzt mal, den Flüchtlingen nicht helfen wollen und Obdachlose dann wohl", meint Schülerin Lara Paquay. Julia Urfels fügt hinzu: "Man hat das ja bisher nur im Fernsehen gesehen. Aber jetzt konnte man schließlich mal persönlich Fragen stellen, die einen interessieren."
Da muss natürlich teilweise ins Englische und ins Arabische übersetzt werden. Erleichtert wird der Austausch dadurch, dass der junge Yassir seit ein paar Monaten dem Deutschunterricht am Robert-Schumann-Institut in Eupen folgen kann. Seit dem 21. November lernt er in der Schule Deutsch und auch Mathematik. "Ich habe auch neue Freunde von Belgien, aus anderen Ländern, Türkei und das ist auch gut für mich", sagte er.
Im nächsten Schuljahr möchte Yassir in den Regelunterricht wechseln, denn eine Zukunft kann er sich nur hier vorstellen: "Ich möchte in der Zukunft Anwalt werden oder etwas anderes. Und alle Flüchtlinge hoffen auf ein gutes Leben hier in Belgien."
Yassir und sein Vater Majid, der im Irak Professor für bildende Kunst war, sind geflohen, weil sie in der Heimat bedroht wurden. Nun haben sie ein Schreiben von Staatssekretär Theo Francken erhalten, in dem ihnen nahegelegt wird, zurückzukehren. "Der Brief zählte für alle Leute aus dem Irak, nicht nur für meinen Vater. Aber wir gehen ganz sicher nicht zurück, wir sind nach Belgien gekommen, um hier zu bleiben – aber nicht, um zurückzugehen, nie."
Das monatelange Ausharren im Lager, in Gemeinschaftsunterkünften, unter teils fragwürdigen hygienischen Bedingungen - für den Vater Majid: "kein Problem" - alles sei besser, als die Situation in der Heimat. Missstände werden von anderer Seite angesprochen. "Ich wusste nicht, dass die Lage in Elsenborn so schlimm ist, ich wusste nur, dass die Lage nicht so gut ist", meinte die Schülerin Lea Peters.
Die Ursachen von Migration, persönliche Schicksale, wie unsere Gesellschaft damit umgeht – das sind die Themen des zwanglosen Austausches, den die ehrenamtlichen Begleiter in den Schulen anbieten wollen. "Wir haben das in den Oberstufen gemacht und da kommt das noch besser an, weil die noch direkter mit den Leuten reden können. Das ist dann meistens ganz auf Englisch und die Begegnung ist sehr berührend für beide Seiten. Ich glaub schon, dass man sich einfach ein anderes Bild von der Situation machen kann. Wir erleben das als sehr positiv. Wir sind jetzt das fünfte oder sechste Mal hier und sie wollen das nächstes Jahr weiterführen, also wir finden, das ist eine gute Sache", erklärt Silke Roderburg-Neuens.
Stephan Pesch