"Eine Bakterienkultur scheint bei manchen Menschen die einzige Kultur zu sein, die sie besitzen" oder "Der Unterschied zwischen unserer Stadt und Joghurt ist, das Joghurt eine aktive, lebendige Kultur hat." Mit solchen und ähnlichen provokanten Sprüchen auf Bierdeckeln will die Stadt St.Vith die Bürger aus der Reserve locken und ihre Meinung zum Thema Kultur erfahren.
Andreas Fickers vom Kulturausschuss hatte die Idee zu der Bierdeckel-Aktion. "Wir wollen Widerspruch, wir wollen kreatives Denken, wir wollen dass die Leute selber aufschreiben, was sie gut finden, was sie beschäftigt wenn sie über Kultur nachdenken", erklärt Andreas Fickers. "Wir wollen sie zum Nachdenken bringen, welchen Stellenwert Kultur in unserem Leben und in unserer Gemeinschaft hat."
Fragen wie "Ist Triangel ein Musikinstrument, eine gute Party-Location, eine Kulturhochburg, ein Fass ohne Boden?" oder "Welche Kultur ist Ihnen am wichtigsten? Die Bierkultur, die Hochkultur, die Bakterienkultur, die Populärkultur oder die politische Kultur?" fordern dazu auf, kurze Bierdeckel-Notzen zu machen.
9.000 Bierdeckel wurden angefertigt – mit sechs verschiedenen Motiven, die die Grafikerin Sandra Filz gestaltet hat. In Kneipen und überall dort, wo Menschen gesellig zusammen kommen, werden sie verteilt. Die Menschen können sie beschreiben und in große gelbe Kisten werfen.
Kulturschöffin Christine Baumann hofft, dass die Kontaktaufnahme mit dem Bürger gelingt und sie mehr über die kulturellen Anliegen der Menschen erfährt. "Ich denke, dass Kultur schon immer wichtig war für St. Vith. Das ist schon ein gefühltes kulturelles Zentrum hier im Süden der Deutschsprachigen Gemeinschaft", sagt die Schöffin.
"Aber wir wollten auch in den Kontakt kommen mit Leuten. Einige meinen 'Och, mit Kultur habe ich nichts zu tun', aber es gibt doch eine Vielzahl von Kulturen. Mitbekommen habe ich zum Beispiel im Dorflokal, dass da schon auch Sorgen ausgedrückt wurden über die Dorfkultur. Auch solche Sachen muss man dann ernst nehmen. Nicht bei allen kommt die Bierdeckel-Aktion gut an, es gibt auch kritische Stimmen. "Aber diese Polarisierung ist gut, um eine Debatte anzuregen", findet Baumann.
Andreas Fickers ist dabei wichtig, dass wieder mehr über Inhalte geredet wird. Als Mitglied des Kulturausschusses und des Triangel-Verwaltungsrates hat er andere Erfahrungen gemacht. "Leider dreht sich die Diskussion in diesen Gremien dann doch oft darum, wie man es finanzieren und organisieren kann. Nie oder selten geht es um Inhalte. Aber wir wollen darüber nachdenken, ob unser Kulturverständnis die Inhalte abdeckt, die zum Beispiel Jugendliche oder ältere Menschen beschäftigen."
Bei der Bierdeckel-Aktion kann man auch online mitmachen auf der Seite der Stadt St. Vith. Im August werden die gesammelten Bierdeckel ausgewertet. Im September sollen dann eine Ausstellung und eine öffentliche Diskussion über die Anregungen erfolgen, die die Bürger eingebracht haben. Dabei erhofft man sich unter anderem Antworten auf die Frage: Kultur zählt? Warum ja? Warum nicht?
Michaela Brück - Bilder: Michaela Brück, Stadt St. Vith