"Es gehört einfach zum Leben: Jeder von uns macht mal eine Krise durch - auch Jugendliche in und nach der Pubertät. Das darf nicht stigmatisiert werden", sagt Ingrid Lentz-Hahn. Als Koordinatorin des Teilzeitunterrichts St. Vith setzt sie sich seit 30 Jahren für Jugendliche ein, die eine neue Chance brauchen. In dieser besonderen Form der dualen Ausbildung machen die Schüler drei Tage pro Woche Praktikum, an zwei Tagen besuchen sie den Unterricht.
Im Unterschied zur mittelständischen Lehre, die zu einer vollständigen Berufsausbildung führt, sind es hier meist Teilqualifikationen, die den Jugendlichen ein Mindestgehalt garantieren.
Die Schüler haben unterschiedliche Profile. Es sind Jugendliche, denen es schwerfällt, dem Vollzeitunterricht zu folgen, die keine Lust mehr auf Schule haben oder auch junge Leute mit Migrationshintergrund. Ihre sozial-berufliche Integration ist das Ziel des TZU. "Das heißt, sobald sie den Teilzeitunterricht mit 18 Jahren und darüber hinaus verlassen, sollten sie im Leben stehen. Wenn die berufliche Integration klappt, kommt es auf die soziale Integration an. Außerdem wollen wir schulische Lücken schließen", erklärt Ingrid Lentz-Hahn.
Hier gilt: Schule ist nicht nur Wissensvermittlung, sondern hat auch einen erzieherischen Auftrag. "Wir haben im Team verschiedene professionelle Kräfte, die auch die sozialen Kompetenzen der Jugendlichen trainieren. Da wollen wir die Jugendlichen fit machen für unsere Gesellschaft", sagt Ingrid Lentz-Hahn.
Früher wurde der Teilzeitunterricht noch als Freizeitunterricht beschimpft, weil man davon ausging, dass die Jugendlichen ohnehin nichts lernten. Das hat sich nach 30 Jahren erheblich geändert. Die Akzeptanz ist gewachsen. "Mittlerweile ist der Teilzeitunterricht integraler Bestandteil unserer Schule", stellt Ingrid Lentz-Hahn fest. "Wir haben natürlich auch politisch darum gekämpft, dass wir ein festes Stundenkapital für diese Arbeit erhalten. 1996 wurde der Teilzeitunterricht dekretal und ich denke, es hat sich Positives getan für diese Jugendlichen."
Das stellt Ingrid Lentz-Hahn auch immer wieder in persönlichen Begegnungen fest. "Das Schönste war Freitag ein Gespräch mit einer ehemaligen Schülerin. Sie wollte mich und einige meiner Kollegen zu ihrer Hochzeit einladen. Wir sollten sie zum Standesamt führen. Die junge Frau hat schon zwei Kinder und sie hat es geschafft, ihr Leben zu führen, es in die Hand zu nehmen. Sie und ihr künftiger Mann arbeiten. Also ich denke, das ist schon erfolgversprechend."
Zum 30-jährigen Jubiläum haben die Schüler des TZU zusammen mit ihrem Mechaniklehrer eine Skulptur gebaut, die auf dem Kreisverkehr An den Linden zu sehen ist. Sie steht symbolisch für die Stütze und Hilfe, die der TZU St. Vith für die Jugendlichen bedeutet.
Michaela Brück - Bild: BRF