Die 38-Stunden-Woche könnte in ihrer derzeitigen Form bald abgeschafft werden. Beschäftigte sollen stattdessen bis zu 45 Stunden pro Woche arbeiten dürfen oder müssen. Die Unternehmen versprechen sich davon mehr Flexibilität
"Grundsätzlich ist das eine gute Sache, wenn man sich dieses Themas annimmt und Überlegungen anstellt, wie man über Flexibilisierung die Wettbewerbsvorteile für Unternehmen erhöhen kann", sagt Volker Klinges, Geschäftsführer der IHK und des Allgemeinen Arbeitgeberverbands Eupen-Malmedy-St.Vith. "Gerade in Belgien kennen wir im internationalen Geschäft aufgrund der Situation der Arbeitskosten ja eher Wettbewerbsnachteile. Wenn dann Möglichkeiten geschaffen werden, um Vorteile zu erzielen, dann ist das sehr positiv."
Die Gewerkschaften sind nicht grundsätzlich gegen eine Reform der 38-Stunden-Woche. Doch flexibel seien die Arbeitnehmer schon lange, sagt CSC-Bezirkssekretär Bernd Despineux. "Wir reden heute sehr viel von Burnout. Und viele Leute haben diese Burnouts, weil immer mehr verlangt wird, weil mehr Flexibilität da ist und es keinen konkreten Feierabend mehr gibt."
Die Sache mit dem Feierabend
"Wenn Feierabend ist, hängen die Leute an ihren Smartphones und schauen, ob der Chef doch nicht noch etwas will oder ein Kunde eine Antwort braucht. Wenn ich da drauf noch eine große Flexibilisierung der Arbeitszeit setze, dann mache ich eine ganze Generation von Arbeitnehmern krank. Und das können wir als Gewerkschaften natürlich nicht mittragen."
Auch FGTB-Sekretär Renaud Rahier sieht das so. "Das ist nichts Neues, zum Beispiel gibt es im Automobilbau das Plus-Minus-Konto. Wenn wir die Garantie haben, dass dann auch die Zeiterfassung korrekt erfolgt, würde das die Abschaffung der Gratis-Überstunden bedeuten. Das wäre doch schonmal etwas", sagt Rahier.
"Das ist jetzt aber nicht der erste Vorschlag von Herrn Peeters, der hat schon in alle möglichen Richtungen Vorschläge gemacht. Das heißt: Ist das jetzt ein neuer Testballon oder endlich mal eine Grundlage, mit der man arbeiten kann?"
Viele Einzelheiten sind noch unklar. Noch gibt es keine umfassenden Pläne. Fest steht: Das Ziel der Regierung stimmt die Arbeitgeber optimistisch. "Einmal entstehen gewisse Vorteile für den Arbeitgeber. Ich denke da an eine höhere Flexibilisierung der Möglichkeiten, auf Kundenwünsche einzugehen. Aber auch, durch die Flexibilisierung das Thema der Überstunden etwas nach hinten zu drängen - dadurch, dass Personen während einer Woche 45 Stunden arbeiten, während der nächsten Woche vielleicht dann 30 Stunden, aber dann normal bezahlt wird", sagt IHK-Geschäftsführer Volker Klinges.
Familienleben: Pro und Contra
"Aber ich glaube auch, dass in der heutigen Gesellschaft der Wunsch nach einer höheren Flexibilisierung nicht nur bei Arbeitgebern gegeben ist. Es gibt auch viele Arbeitnehmer, die diesen Wunsch äußern. Besonders da, wo es in einer Familie zwei Verdiener gibt. Über die Flexibilisierung hat man dann auch die Möglichkeit, zu gewissen Zeiten mehr Freizeit zu schaffen - für die Kinder, die Familie oder seine Hobbys."
Die Gewerkschaften teilen diesen Optimismus eher nicht. Sie befürchten, dass die Lebensqualität und vor allem die Planungssicherheit der Familien den Bach runter gehen. "Wir haben viele technische Bedenken: Was geschieht mit den Stunden, wie werden die bilanziert, und der gleichen", sagt Bernd Despineux. "Aber vor allem haben wir sehr viele soziale Bedenken. Zuerst kommt die Angst vor Veränderung, aber dann kommen die realen Dinge. Wie werden ich Berufsleben und mein Privatleben, mein Familienleben unter einen Hut bekommen? Wie kann ich, wenn beide Partner betroffen sind, die Kinderaufsicht organisieren?"
Auch Renaud Rahier von der FGTB bemängelt, dass es mehr Fragen als schlüssige Antworten gebe. "Weiß ich denn, wann ich morgen anfange? Und wann ich heute aufhöre? Ich muss um fünf das Kind bei der Tagesmutter abholen, aber der Chef hat mir gerade Überstunden aufgebrummt ... also es gibt jede Menge Sachen, die man einrahmen muss. Man muss über die Situation verhandeln und es muss eine Rechtssicherheit für den Arbeitnehmer geben. Es kann nicht sein, dass die Flexibilität dann letzten Endes dazu führt, dass der Arbeitnehmer Freiwild wird."
Die Sozialpartner geben sich konstruktiv und sind auf der Suche nach einer Win-Win-Situation. Auf ein reges Tauziehen können sie sich aber jetzt schon einstellen. Das Thema flexible Arbeitszeiten wird uns wohl noch einige Zeit beschäftigen.
Manuel Zimmermann - Illustrationsbild: Stephan Pesch/BRF
Warum die Arbeitszeiten verlängern ? warum wird denn da nicht neues und mehr Personal eingestellt ? wenn das eine ja so gut für Unternehmer sein soll - dann doch wohl auch das andere ! unter anderem werden doch sehr oft Leiharbeiter eingestellt um diverse Mehrarbeiten zu erledigen und wenn diese zu ende sind - sind ebenso die ausgeliehenen Arbeitskräfte weg........vor allem, was nützt einem Unternehmen es wenn der Arbeitnehmer wegen Arbeitsüberlastung, sprich Burnout, über einem längerem Zeitraum krank geschrieben ist ?