Herr Mergelsberg, was ist das Smart Grid überhaupt?
Smart Grid ist die Verbindung eines Stromnetzes, wie wir es heute kennen, und eines Informatiknetzes, das dazu da ist, Daten über den Zustand des Netzes der Erzeuger und der Verbraucher zu erfassen, damit anschließend Steueraufgaben übernommen werden können.
Das heißt, die Stromversorgung wird anders sein?
Ja, die Stromversorgung wird in der Tat anders sein. Früher, und heute noch, ist man von dem Konzept ausgegangen, dass es Kraftwerke gibt, die den Strom erzeugen, ein Leitungsnetz, das diesen Strom überträgt und verteilt und Verbraucher, die diesen Strom nutzen.
In Zukunft wird es mehr und mehr so sein, dass Strom nicht nur zentral in Kraftwerken erzeugt wird, sondern quer durch die Landschaft verteilt. Photovoltaikanlagen und Windparks haben es gezeigt. An allen möglichen Ecken stehen kleine Erzeugungsanlagen, die ins Netz einspeisen wollen. Das Netz ist dafür aber nicht ausgelegt und muss deshalb umgebaut werden, entweder verstärkt oder intelligenter werden. Und das soll mit dem sogenannten Smart Grid möglich werden.
Also ist dieses Smart Grid dazu da, die Stromversorgung zu steuern. So dass in Phasen, in denen weniger Strom gebraucht wird, auch weniger Strom eingespeist wird? Wie muss man sich das vorstellen?
Ja, so ähnlich kann man sich das vorstellen. Es wird so sein, dass die Energie, die verfügbar ist, sinnvoll genutzt werden soll. Das heißt, wenn die Sonne scheint, die Photovoltaikanlagen - wenn der Wind weht, die Windkraftanlagen. Das Netz soll so gesteuert werden, dass es diese Energien zum richtigen Zeitpunkt nutzen kann.
Man muss dann aber auch die Verbraucher steuern können, und sie dazu anregen, mehr Energie zu verbrauchen, wenn Energie vorhanden ist - und wenn Energie knapp ist, etwas weniger zu brauchen.
Im vergangenen Jahr gab es ja die Gefahr eines Blackouts im Winter, sodass in gewissen Gebieten der Strom gänzlich abgeschaltet werden sollte. Zum Glück ist es nicht soweit gekommen. Könnte ein Smart Grid so etwas steuern oder verhindern?
Also ich glaube nicht, dass man die beiden vermischen sollte. Die Gefahr eines Blackouts bestand in der Tat aufgrund einer Knappheit bei den Kraftwerken. Hier geht es eigentlich darum, dass die alternativen Energien, die verfügbar sind, auch sinnvoll genutzt werden.
Klar wird ein intelligentes Netz dafür sorgen, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet ist, was ja sonst bei einem Windpark zum Beispiel davon abhängt, ob Wind weht oder nicht. Das intelligente Netz wird dann dafür sorgen, die Leitungen so zu steuern, dass entweder die Windkraftanlagen einspeisen, weil eben Wind weht, oder eine andere Energiequelle zur Verfügung steht, die dann einspeisen wird, wenn das beim Wind nicht möglich ist.

Herzstück dieses intelligenten Stromnetzes ist der Smart Meter, ein intelligenter Stromzähler bei den Verbrauchern zu Hause. Was macht dieser Smart Meter?
Ich würde den Smart Meter nicht als Herzstück des intelligenten Netzes bezeichnen, obschon es das Gerät ist, das der Verbraucher sehen wird. Der intelligente Zähler, eigentlich müsste man vom "kommunizierenden Zähler" sprechen, ersetzt eigentlich nur den mechanischen Zähler durch eine Elektronik, die darüber hinaus die erfassten Daten auch übermitteln kann.
Das heißt: Für den Verbraucher ändert sich eigentlich nichts, nur dass er seinen Zähler jetzt digital ablesen kann und einige Informationen zusätzlich oder Steuerungsmöglichkeiten erhält. Aber dieser Zähler kann Informationen über das Netz übertragen und kann auch Informationen aus dem Netz empfangen, sodass der Verbraucher seinen Verbrauch anpassen und steuern kann oder seine Erzeugung günstig einspeisen kann, mit Hilfe der Datenübertragung, die dieser Zähler mit sich bringt.
Wir haben ja bisher schon einen Tages- und einen Nachttarif beim Strom. Viele Menschen nutzen energieintensive Geräte wie Waschmaschine oder Trockner eher nachts, damit es etwas günstiger wird. Ist es beim Smart Grid und beim Smart auch so, dass ich sagen kann: Um drei Uhr nachmittags ist der Strom am günstigsten, jetzt schmeiße ich meine Waschmaschine an?
Da wird sich ein weites Feld öffnen für die Versorger, für die Stromlieferanten. Als Netzbetreiber kann ich da nur sagen, ich werde zusehen und die technische Infrastruktur zur Verfügung stellen, damit das möglich ist. Aber klar wird es Lieferanten geben, die sich, wie bei den Telefongesellschaften auch, spezielle Tarife ausdenken werden, um zu besonderen Zeiten besonders günstige oder besonders ungünstige Tarife anzubieten, die dafür sorgen werden, dass der Verbraucher gerade dann viel Strom braucht, oder keinen Strom braucht, wenn es einfach zu teuer wird.
Sie sind als Netzbetreiber für den Netzausbau zuständig. Müssen für das Smart Grid neue Leitungen gezogen werden, oder funktioniert das auch mit den bestehenden?
Das Leitungsnetz muss erweitert werden. Wir werden auf jeden Fall das Datenübertragungsnetz weiter ausbauen. Ores besitzt bereits ein weit gefächertes Glasfasernetz und Telefonleitungen. Das wird weiterhin ausgebaut und durch den Ausbau der intelligenten Zähler wird auch zum Kunden hin eine Datenübertragung auf dem Netz vorhanden sein. Da starten wir jetzt unsere Pilotprojekte auch hier in der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Zusammenarbeit mit dem ZAWM und dem RSI, sodass wir dann voraussichtlich ab 2018 mit der flächendeckenden Ausbreitung der intelligenten Zähler beginnen können.
Es geht um Datenaustausch. Wie sieht das aus mit dem Datenschutz für die Verbraucher? Ist man sich da der Gefahr des Missbrauchs bewusst?
Die Anforderungen sind da sehr hoch. Und es liegt auf der Hand, dass der Gesetzgeber hier den Rahmen schafft, um sicherzustellen, dass die Daten, die bei einem Kunden erfasst werden, nur dahin gelangen, wo sie hingelangen sollen, und nicht zur Verfügung stehen für irgendwelchen Missbrauch. Man ist da bemüht, größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten. Vielleicht wird es irgendeinen Missbrauch geben. Ich bin aber guter Dinge. Die Technik, die hier zur Anwendung kommt, ist sehr sicher.
Volker Krings