Schon in Artikel 119 der Römischen Verträgen von 1957 war die gleiche Bezahlung von Mann und Frau festgeschrieben. Doch die Realität sah zehn Jahre später immer noch ganz anders aus. Arbeitsbedingungen wie im 19. Jahrhundert. Und gezahlt wurde nicht nach Stunde sondern nach Stückzahlen. Und auch wenn die Direktion das Gegenteil behauptete: Der Lohn der Arbeiterinnen war niedriger als der ihrer männlichen Kollegen.
"Die Frauen bei FN Herstal forderten gleichen Lohn für gleiche Arbeit und streikten für eine Lohnerhöhung von 5 Franken die Stunde. Ab dem 16. Februar 1966 gingen sie auf Konfrontation mit der Direktion von FN. Die weigerte sich erst und verhandelte schließlich mit den Gewerkschaften. Nach 12 Wochen Streik einigte man sich auf 2 Franken 1966 und weitere 75 Centimes im Jahr darauf", erklärt Philippe Bordignon von der V.o.G Promotion & Culture der FGTB.
Aus Solidarität streikten die Männer mit den Frauen
3.000 Arbeiterinnen gingen für ihre Forderungen auf die Straße. Für die Direktion der damaligen Fabrique Nationale d'Armes de guerre wurde die Arbeitsniederlegung zum Problem. Da die Frauen am Anfang der Produktionskette standen, konnten die nachfolgenden Abteilungen nicht weiterarbeiten.
Die Direktion wollte den Streik brechen, indem sie Teile der Produktion auslagern wollten und Männer anstelle der Frauen setzen wollten. Aus Solidarität weigerten sich die Männer aber, die Arbeit der Frauen zu übernehmen und streikten sogar mit den Frauen.
Auch wenn die Forderung der Arbeiterinnen am Ende nur teilweise erfüllt wurden. Der dreimonatige Streik war einer der wichtigsten Arbeitskämpfe der jüngeren Geschichte.
Streik in Herstal führte zu Flächenbrand
Der Streik führte zu einem Flächenbrand. Die Unterstützung der Frauen kam aus dem ganzen Lütticher Becken, wo auch Arbeiterinnen in anderen Firmen anfingen zu streiken. Eine Delegation aus Paris kam um die Arbeiterinnen zu unterstützen. Und sogar in den USA gab es feministische Bewegungen, die sich auf die Frauen aus Herstal beriefen.
Doch wie sieht es mit der Lohngleichheit in Belgien 50 Jahre später aus? Rein gesetzlich dürfte es keinen Unterschied geben. De facto werden Frauen immer noch benachteiligt.
"Nehmen wir z.B die sogenannte 'Gläserne Decke'. Ein Mann und eine Frau haben die gleiche Funktion werden aber nicht gleich bezahlt, weil der Mann einen höheren Titel hat und die Bezahlung deshalb höher ist. Da gibt es aber auch andere Faktoren, die in erster Linie die Frauen betreffen. 80 Prozent der Teilzeitarbeitsstellen sind von Frauen besetzt. Das hat Folgen für die Bezahlung. Der Lohnunterschied beträgt in Belgien 22 Prozent und bei den Renten sind es sogar 31 Prozent", sagt Philippe Bordignon.
Die Ausstellung "Femmes en colère" in Herstal ist noch bis zum 26. März zu sehen.
Text und Bilder: Volker Krings