Das Doppelte zahlen, nur um schneller behandelt zu werden? Das ist offenbar kein Einzelfall, wie die RTBF in ihrer Reportage aufgedeckt hat.
René De Letter traut seinen Augen nicht: Als er wegen eines Rückenleidens einen Termin bei einem Facharzt im Citadelle-Krankenhaus anfragt, heißt es, der nächste Behandlungstermin sei erst im Oktober frei. Es sei denn, er zahle den doppelten Tarif, dann könne er schon in wenigen Tagen vorbeikommen.
"Traurig aber wahr", sagt der Mann. Langsam aber sicher habe er den Eindruck, dass hierzulande eine Zwei-Klassen-Medizin entsteht. Der Vorwurf: Wer mehr zahlt, wird schneller und vielleicht sogar besser behandelt.
Diese leidige Erfahrung hat auch Marie-Claire aus Brüssel gemacht. Die Seniorin muss am grauen Star operiert werden. Weil sie für die Behandlung im Krankenhaus aber kein Einzel-, sondern ein Doppelzimmer bucht, sagt der Augenarzt die OPs kurzfristig ab.
Zuschläge bis zu 400 Prozent über Tarif
Die Zuschläge von sogenannten "nicht konventionierten" Ärzten liegen bis zu 400 Prozent über dem üblichen Tarif liegen. Den Krankenkassen ist das schon länger ein Dorn im Auge. Schätzungsweise jeder fünfte Arzt in Belgien ist keine tarifliche Vereinbarung mit den Kassen eingegangen, darf also Zuschläge verlangen. Darunter sind viele Fachärzte.
Mit versteckter Kamera begibt sich die RTBF – als Patient getarnt – in eine große Augenarztpraxis. Der graue Star soll operiert werden. Doppelzimmer-Patienten nimmt der Arzt nicht an. Sonst verdiene er ja nichts an der OP, erklärt der Mediziner ohne Umschweife. Rechtfertigung des Arztes: Im Sternerestaurant zahle man ja schließlich auch nicht das gleiche wie bei Mc Donalds …
Leer wäre der Operateur im Falle von Doppelzimmer-Patienten am grauen Star übrigens bei Weitem nicht ausgegangen: Nach RTBF-Berechnungen hätte der Facharzt immerhin bis zu 1.500 Euro netto pro OP-Tag verdient. Mit Einzelzimmerzuschlag läge der Verdienst aber locker doppelt so hoch.
De Block: Praktiken leider an der Tagesordnung
Gesundheitsministerin Maggie De Block, selbst gelernte Ärztin, ist alles andere als überrascht. Solche Praktiken seien leider seit Jahren an der Tagesordnung. "Wir versuchen Anreize zu schaffen, um so viele Ärzte wie möglich tariflich zu binden. Nur so können wir den Patienten am Ende tarifliche Sicherheit bieten", so die Gesundheitsministerin.
An den mitunter horrenden Tarifen der Fachärzte verdienen aber nicht nur die Mediziner. Die Krankenhäuser sind an den Mehreinnahmen beteiligt und wegen oft leerer Kassen an den Zusatzmitteln besonders interessiert. RTBF-Journalist Frank Istasse spricht von einem Teufelskreis.
Citadelle bezieht Stellung
Bereits vor der Ausstrahlung hatte das Citadelle-Hospital Stellung bezogen. Es sei über ein Abkommen mit 500 freiberuflichen Ärzten verbunden. 2010 habe der Verwaltungsrat für die Möglichkeit einer Abweichung gestimmt, das INAMI-Honorar verdoppeln zu können.
Zwei dieser Ärzte - international anerkannte Kapazitäten- hätten dies dann auf Bitten ihrer Patienten in Anspruch genommen. Das Hospital betont den Ausnahmecharakter und versichert, Qualitätsmedizin für Jedermann anzubieten, so etwa durch eine Notaufnahme an sieben Tagen pro Woche, 24 Stunden rund um die Uhr.
fsakn/est - Archivbild: Michel Krakowski (belga)
haben Ärzte einen Eid abgelegt Menschen zu helfen oder Milionär zu werden