2011 verabschiedete das Parlament in Namür das sogenannte "Airbag-Dekret". Dadurch können angehende Selbstständige bei der Schaffung ihres Unternehmens bis zu 12.500 Euro Beihilfen von der Wallonischen Region bekommen. Mit dem Dekret sollten Arbeitsplätze geschaffen werden: Erstens, weil die neuen Unternehmen potentielle Arbeitgeber sind und zweitens, weil die frisch gebackenen Unternehmer ja auch woanders Arbeitsplätze frei machen.
So weit, so gut. Probleme gab es dann aber bei der Einordnung des neuen Gesetzes. Für die Wallonische Region zählt das Airbag-Dekret nämlich zur Beschäftigung, also zu einer Kompetenz, die an die DG übertragen wurde. Deshalb steht im Text des Dekrets auch ganz deutlich, dass sich die Hilfen nur an die Bewohner des französischsprachigen Gebiets richten.
Die Diskriminierung erkannte auch der damalige Beschäftigungsminister Oliver Paasch. Unmittelbar nach der Verabschiedung des Dekrets erklärte er, dass die Hilfen seiner Ansicht nach Teil der Wirtschaftspolitik seien - eine Kompetenz, die weiterhin von der Wallonischen Region ausgeübt wird und wo Subsidien demnach auch nicht nur auf die eine oder andere Sprachgruppe beschränkt werden dürfen. Um das Problem zu beheben, bot die Wallonische Region damals an, über ein Zusammenarbeitsabkommen zu verhandeln. Das kam aber nie zustande. Hinzu kam, dass die Wallonische Region eine finanzielle Beteiligung der DG forderte.
In seinem Urteil hat das Verfassungsgericht nun bestätigt, dass das Airbag-Dekret keine arbeitsbeschaffende Maßnahme, sondern eine Hilfe zur Unternehmensgründung ist – also Wirtschaftspolitik. Michel Keul, ein Immobilienmakler aus St. Vith, hatte die Klage vor dem Verfassungsgericht angestrengt; eine Initiative, über die sich unter anderem Ministerpräsident Paasch freut. Gegen ein Gesetz klagen, darf laut Paasch nämlich nur derjenige, der auch dadurch benachteiligt wird. Und da ist die DG als juristische Person eben nicht betroffen.
Um das Dekret zu ändern, hat der Regionalabgeordnete Edmund Stoffels jetzt einen Vorschlag beim Parlament in Namür eingereicht. Die diskriminierende Textpassage soll gestrichen werden, so dass in Zukunft alle von der Regelung profitieren können. Die Entscheidung dazu wird aber frühestens im Januar fallen.
Ob allerdings Michel Keul jemals sein Geld bekommen wird, ist unsicher. Die Wallonische Region hat die Airbag-Förderung Ende 2014 wegen Geldmangels erst mal auf Eis gelegt. Michel Keul hofft jetzt auf eine rückwirkende Auszahlung der Prämie, sonst steht er mit Anwaltskosten und ohne "Airbag" ziemlich allein da.
Anne Kelleter - Illustrationsbild: Kurt Desplenter (belga)
Das ist nicht einzige Fall wo die Wallonische Region der DG Finanzen vorenthält.
Der winzige Rückfluss des Provinzsteueraufkommen in die DG ist der blanke Hohn, Straßenbau ein Stiefkind, und bei der verzögerterten Weitergabe der Kompetenzen rund ums Arbeitsamt bleibt auch wieder Geld in der Wallonie hängen.
Ohne unsere Autonomie wäre dieses ausblutenlassen der DG seitens der Wallonischen Region noch noch weit gravierender.