"Ich hatte ein gutes Leben. Eine gut bezahlte Arbeit. Ich war Manager in einem Telekommunikationsunternehmen, hatte ein Team von 20 Mitarbeitern. Ich war der Verantwortliche für eins unserer Spezialprojekte, für die Isaf-Truppen. Wir haben dafür gesorgt, dass die Nato-Soldaten auf der Militärbasis der Isaf mit ihren Familien zu Hause telefonieren können und dass sie Internet haben", erzählt Maroof Ayubi über sein Leben in Kabul.
Maroof Ayubi ging also auf der Militärbasis der Isaf ein und aus, schickte seine Mitarbeiter mit Material oder für Installations- und Reparaturarbeiten dorthin. Und eines Tages hat dann jemand mit einer "besonderen"Anfrage Kontakt mit ihm aufgenommen. "Ich weiß nicht genau, wer es war, der IS oder die Taliban. Sie wollten, dass ich für sie Dinge oder sogar Menschen einschleuse. Aber ich wollte das nicht tun. Seit elf Jahren arbeite ich für mein Unternehmen, man vertraut mir."
"Dann haben sie mich unter Druck gesetzt und gesagt: Wir können dich zwingen - du hast schließlich eine Familie, Frau und Kinder ... Also was sollte ich tun? Ich saß in der Zwickmühle. Ich wollte niemanden verletzen. Der einzige Ausweg war, das Land zu verlassen." Bei seinem Chef hat Maroof Ayubi Urlaub beantragt, ein Onkel seiner Frau hat die Flucht organisiert und mit Schleppern Kontakt aufgenommen. Mit dem Flugzeug ging es dann in die Provinz Herat, von dort aus per Auto und Bus weiter in den Iran und die Türkei.
Und dann mit dem Boot nach Italien. "Es war ein Luxusboot für fünf oder sechs Personen. Wir waren aber 35 oder 40 auf diesem Boot. Sie haben uns Schokolade und Wasser gegeben, das war's. Wir haben insgesamt 40.000 US-Dollar bezahlt - das ist mehr, als andere bezahlen, aber wir wollten schnell und sicher nach Europa. Man hört, dass andere monatelang unterwegs sind, ins Gefängnis gesteckt werden, und so weiter. Für uns war die Reise besser als für viele andere."
Von Italien ging es dann weiter nach Brüssel. Maroof Ayubi wollte nach Belgien, weil sich hier der Sitz der Nato befindet. Durch seine Arbeit in Afghanistan hatte er gehofft, als Sonderfall angesehen zu werden. Maroof und seine Familie, seine Frau und seine Kinder im Alter von sechs, dreieinhalb und knapp einem Jahr, wurden aber wie alle anderen Flüchtlinge erst einmal registriert und in ein Asylbewerberzentrum geschickt - nach Manderfeld. Das war vor knapp zwei Monaten.
Maroof hofft, dass er die Gelegenheit bekommt, seine Geschichte zu erzählen. "Es ist nicht einfach, in Afghanistan für die Nato zu arbeiten. Das wird nicht so gerne gesehen, aber ich habe es getan und kann das auch beweisen. Darum möchte ich nicht wie ein gewöhnlicher Flüchtling behandelt werden, ich bin ein Sonderfall. Ich möchte in Belgien leben, meine Kinder sollen hier zur Schule gehen. Und ich bin Telekom-Ingenieur, ich werde sicher einen Job finden."
Aber für Maroof und seine Familie heißt es jetzt erst einmal abwarten. Tun können sie nichts. Keine einfach Situation - vor allem, weil man der Familie droht, sie zu trennen. Maroofs Frau war letztes Jahr in Frankreich in Urlaub, deshalb will die belgische Asylbehörde sie nach Frankreich schicken. Der Druck lastet schwer auf der Familie. Aber Maroof und seine Frau hoffen, dass es für sie bald eine Lösung gibt. "Ich habe den Isaf-Truppen in Afghanistan geholfen. Jetzt brauche ich ihre Hilfe."
Katrin Margraff - Bild: BRF