Natürlich ist es nicht falsch, Martin Schulz als einen "Erklärer" zu loben. Gleichzeitig ist es ein Offenbarungseid. Zumindest für Menschen meiner Generation, Jahrgang 1953. Man muss Europa also "erklären". So weit ist es gekommen.
Jetzt wirkt es wie eine Endzeitstimmung, als Jean-Claude Juncker 2006 bei der Entgegennahme seines Karlspreises auf eine ebenso nüchterne wie bewegende Weise seine Rede in einen Besuch der Soldatenfriedhöfe kleidete.
Ist es nun ein Zeichen von Tragik oder von Normalität, dass man jetzt nicht mehr allein an die Friedhöfe des Ersten und Zweiten Weltkriegs erinnern muss, sich wohl aber den heutigen Problemen stellen muss? Ach, wäre es ein Zeichen von Normalität.
Doch trotz Eurokrise und Investitionsbremse richtet sich der Blick auf Kiew, nicht so lange nach den jugoslawischen Erbfolgekriegen, mit Einmischung von EU-Staaten. Trotz Jubiläen von 100 Jahren und 70 Jahren scheint eine neue Zeitrechnung angebrochen.
Zudem wurde in dieser Woche verkündet, die EU und die NATO würden ihre Zusammenarbeit verstärken. Diese wurde Ende 2014 eingeleitet. Wenig bekannt ist, dass die NATO neben ihrem militärischen Ziel auch ein politisches Ziel verfolgt, seit ihrer Gründungscharta 1949.
Dieses politische Ziel wird jetzt wohl eine Aufwertung erfahren, wenn die strukturschwache EU sich mit der strukturstarken NATO verbändelt. Dann droht - europapolitisch -, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt.