"Welcher Platz für die DG im föderalen Belgien?": Über diese Frage ist im Rahmen eines Kolloquiums im Senat diskutiert worden. Eingeladen hatte dazu der DG-Gemeinschaftssenator Alexander Miesen. Kolloquium: Welcher Platz für die DG im föderalen Belgien?
Mit von der Partie waren unter anderem hohe Gäste aus der Schweiz und aus Südtirol, aber auch Parlamentarier und Minister aus der Gemeinschaft, allen voran Ministerpräsident Oliver Paasch und der PDG-Vorsitzende Karl-Heinz Lambertz.
Ebenfalls dabei: der angesehene Politologe Dave Sinardet von der Freien Universität Brüssel (VUB).
"Das heutige Statut verdankt die DG im Wesentlichen dem Föderalisierungsprozess des Landes", erklärt Sinardet. "Flamen und Frankophone haben Selbstverwaltung gefordert, und im Fahrwasser dieser Entwicklung haben auch die Deutschsprachigen ihre Institution "Gemeinschaft" bekommen, mit mehr oder weniger denselben Zuständigkeiten wie die beiden anderen Gemeinschaften."
Und dieser historische Rückblick ist zugleich ein Ausblick. "Es dürfte wohl auch in Zukunft so sein, dass die Entwicklung der Autonomie der DG ganz wesentlich davon abhängt, wie sich die Regionalisierung in Belgien weiter entwickelt." Das gibt aber allenfalls eine grobe Richtung an.
Erste Feststellung: die Regionen werden immer wichtiger, und das zu Lasten der Gemeinschaften. Jüngstes Beispiel: Das Kindergeld ist faktisch regionalisiert worden, sonst wäre Brüssel nicht zuständig für das Kindergeld auf seinem Territorium. "Belgien folgt zweifelsohne mehr und mehr einer territorialen Logik. Die Regionen rücken ins Zentrum", sagt Dave Sinardet.
Hier zeigt sich, dass die Deutschsprachigen nicht immer von der institutionellen Entwicklung des Landes profitieren. Die DG, die ja immer noch eine Gemeinschaft ist, droht ins Abseits zu geraten, eben weil die Regionen immer wichtiger werden. Deswegen eben auch der Eupener Wunsch nach einem Belgien zu viert - vier Regionen, mit der DG als vollwertigem Bestandteil. "Klar, diese Idee hört man inzwischen häufiger", sagt Sinardet. "Es dürfte aber wohl noch länger dauern, ehe das Wirklichkeit wird."
Für die DG liegt der Fokus im Augenblick ohnehin auf Namur. Eupen fordert von der Wallonischen Region die Übertragung weiterer Zuständigkeiten. Zweite Feststellung des Politologen: "Diese institutionelle Agenda ist schon eine Eupener Eigenheit. Im Regelfall ist es so, dass ein Teilstaat vom Zentralstaat mehr Zuständigkeiten verlangt. Hier spielt es sich zwischen Teilstaaten ab."
Wohnungsbau, Raumordnung, Provinzzuständigkeiten, um nur die wichtigsten Kompetenzen zu nennen: Sind diese Forderungen legitim? "Im vorliegenden Fall mag es gute Argumente für diesen neuen Transfer zwischen der Wallonischen Region und der DG geben", sagt Dave Sinardet.
"Früher oder später könnte sich aber die Frage stellen, wo die kritischen Grenzen liegen", meint der Politologe. "Mal angenommen, die Teilstaaten bekämen irgendwann mal weite Teile der Sozialen Sicherheit: Wäre die DG dann fähig, auf ihrem Territorium etwa eine Arbeitslosenunterstützung zu organisieren?"
Das Fazit kann eigentlich nur lauten: Die DG war und ist ein Spielball der institutionellen Entwicklung des Landes. Oft waren die Folgen positiv für die Deutschsprachigen. Und wenn das nicht der Fall war, dann haben sie versucht, nachzubessern. Wie war das noch: Wer die Zukunft erahnen will, der muss eben nur in die Vergangenheit schauen.
Bild: Laurie Dieffembacq/BELGA