Das verspricht eine Frontstellung: zwischen eindeutigen Impfbefürwortern, entschiedenen Gegnern des Impfprogramms, so wie es angeboten wird, und solchen, die zwar fürs Impfen sind, aber freiwillig. Und dann wird es auch einige Stimmen geben, das wurde am Montag deutlich, die davon ausgehen, es gebe kein Grundrecht, andere anzustecken, beziehungsweise Impfen sei keine Privatsache, wie die der Abgeordneten Servaty oder Creutz.
Am Montag wurde auch bereits klar, dass zwei Lager mit unterschiedlichen Absichten ins Gefecht ziehen: die Impfbefürworter mit der Absicht, übers Sensibilisieren zu beraten - und über sonst nichts zu reden - und damit Minister Antoniadis (und seinen Nachfolgern) zu helfen, fürs Impfen die Bereitschaft zu erhöhen.
Auf der anderen Seite: der (oder die) Gegner der "kritiklosen" Darstellung des Impfprogramms, die aus dem Ausschuss ein Hearing machen wollen, eine Anhörung von Impfbefürwortern und Impfkritikern.
Der Abgeordnete Servaty hatte es am Montag schon kommen sehen, und etwas naiv seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, es komme nicht zu einer Pro- und Contra-Diskussion. Wie erwartet ließ sich der Abgeordnete Balter die Chance nicht entgehen, ein Remake seines früheren Feldzuges gegen die Papillomaviren-Impfung zu machen. Wobei diese Impfkampagne dummerweise den Impfkritikern Auftrieb gab, erklärten die Impfstoffproduzenten doch, keine absolute Sicherheit geben zu können, sondern nur eine erhöhte Sicherheit. Das ermunterte sogar Reaktionen, die dem großzügigen Angebot vorwarfen, einer jugendlichen Promiskuität den Weg zu ebnen. Gegen eine solche Unterstellung haben rationale Argumente keine Chance. Die Abgeordnete Klinkenberg hatte Balter am Montag entgegen geschleudert, eine Frau mit Gebärmutterhalskrebs hätte für seine medizintechnischen Hypothesen nur Unverständnis übrig, wenn nicht kalte Wut. Balters Parteikollege Mertes kam ihm zu Hilfe: Er, Mertes, hätte als Kind Masern gehabt, und das sei, "keine große Sache gewesen". Glaube ich ihm, wahrscheinlich hatte er sie zu Hause in Montenau, und dort dürfte die Zahl der Kontaktpersonen begrenzt gewesen sein.
Aber Masern 2015 ist etwas ganz anderes: jeden Tag kommen politische und Wirtschaftsflüchtlinge an, und jeden Tag landen unzählige Flugzeuge mit heimkehrenden Touristen aus aller Welt.
All das keine Überraschung: Dass die Fraktion mit erklärten Impfkritikern, wenn nicht -gegnern, eine Sachverständigen-Anhörung mit Pro und Contra will, war zu erwarten. Wenn das der Selbstdarstellung und dem Image als "unbequeme Fragesteller" dient, sei dies gegönnt. Und wenn die Anhörung zu Erkenntnissen führt, umso besser. Schließlich hat das Parlament Verdienste auf diesem Gebiet: Hatte es zum Beispiel den Wirtschaftsfachmann und Querdenker Heiner Flassbeck eingeladen, als die Euro-Länder das Sixpack und die Spar-Ideologie zur Euro-Rettung auch in Eupen zur Gegenzeichnung vorlegten.
Also nochmal: das alles keine Überraschung. Die wirkliche Überraschung liegt in ganz nüchternen Zahlen: Ein ganzes Drittel der Eltern in Ostbelgien hat seine Kleinkinder nicht impfen lassen, zumindest den vorliegenden Zahlen nach. Und noch was, was fast sprachlos macht: In nur einem Jahr ist die Impfbereitschaft um ganze zehn Prozent zurückgegangen. Für Menschen, die als Kind ältere junge Menschen mit Kinderlähmung gesehen haben, hinkend und leidend, ist das kaum zu glauben. Noch ein Glück, dass die Impfung gegen Kinderlähmung oder Polio verpflichtend ist, sonst wäre diese wohl auch Opfer der Skepsis.
Ein Rückgang um zehn Prozent. In nur einem Jahr. Woran kann das liegen? Liegt dies vielleicht an der Nähe zu Deutschland, wo man alles ein wenig aufgeregter sieht?
Was mich aber am meisten wundert, und in gewisser Weise ratlos zurück lässt, ist, dass sich die Menschen unserer heutigen Gesellschaft, die sich so vieles, und offenbar so gerne vorschreiben lassen, zumindest aber bereitwillig, von diversen Obrigkeiten, die so gern der Verbieteris frönen, dass sie sich ausgerechnet gegen etwas auflehnen, das bis zum Beweis des Gegenteils - zum Beweis, zum erwiesenen Kausalzusammenhang, nicht allein Annahmen, wenn auch begründet oder Thesen - als ein Segen der Medizin gilt.
Sehr geehrter Herr Schunck,
ich halte Sie für einen seriösen Journalisten, und bin deshalb um so erstaunter, als Sie Sich, nach meiner
Einschätzung, hier, beim Thema "Impfen - ja oder nein", auf "sehr dünnes Eis" begeben...!
Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass Impfen, generell, "ein Segen für die Menschheit" sei?
Sehr geehrter Herr Dr. Meyer,
ich schloss mit der mir sonderbaren Feststellung, "dass sich die Menschen unserer heutigen Gesellschaft, die sich so vieles, und offenbar so gerne, vorschreiben lassen, zumindest aber bereitwillig, ausgerechnet gegen etwas auflehnen, das bis zum Beweis des Gegenteils als ein Segen der Medizin gilt."
Diese Überlegung ist auf der gesellschaftlichen Ebene, nicht auf der wissenschaftlichen, somit auch keine Frage von dünnem Eis.
Mit freundlichen Grüßen, und Dank für Ihr Interesse,
Frederik Schunck
ps... andere Ebenen kommen mir in den Sinn, etwa wenn Autoren wie Goethe oder, radikaler, Mary Shelley ihre Figuren Faust oder den Unhold (the creature) die philosophische Ebene betreten lassen...das wäre wirklich "dünnes Eis"...-...doch vielleicht nicht das brüchigste...