Ab Donnerstag ziehen wieder bunt kostümierte Menschen und mühevoll geschmückte Wagen durch die Straßen Ostbelgiens. In den Kneipen und Sälen fließt der Alkohol und überall ertönt Musik, die zum Schunkeln und Mitsingen animieren soll. Wer in Ostbelgien wohnt, der kann dem karnevalistischen Treiben kaum entkommen.
Doch was für die meisten Ostbelgier ein riesiges Vergnügen bedeutet, ist für manche auch ein Graus. Das jecke Leben auf den heimischen Straßen veranlasst sie zu einer Flucht ins Ausland. Besonders beliebt seien in diesem Jahr Städtereisen, vor allem nach Barcelona, Prag und Rom, so Reiseverkehrskauffrau Sally Hoegen. Aber auch Winterurlaub wird von den Antikarnevalisten gerne gemacht.
Während die einen also die Pisten runter sausen oder den Trevi-Brunnen bewundern, gehen andere einfach arbeiten. Bekennende Antikarnevalisten finden sich in nahezu jedem Unternehmen. Sie halten in den Betrieben die Stellung, während sich ein Großteil der Kollegen auf Karnevalsveranstaltungen amüsiert.
Annick Matthar ist eine von ihnen. Die Krankenschwester ist über die Karnevalstage freiwillig im Eupener Krankenhaus im Einsatz. Am Karneval stört sie der übermäßige Alkoholkonsum und auch mit der Musik kann sie sich nicht anfreunden. "Ich bin nicht karnevalistisch und damit die anderen Kollegen, die gerne Karneval feiern, die Gelegenheit dazu haben, halt ich hier die Stellung", erklärt die Krankenschwester im BRF-Interview.
Doch wie werden die Karnevalstage im Eupener Krankenhaus überhaupt gehandhabt? Zum Beispiel der Rosenmontag, an dem in Eupen auch der große Karnevalsumzug stattfindet. Viele wollen dann frei haben, aber ein gesetzlicher Feiertag ist der Rosenmontag nicht. Die Karnevalisten müssen in der Regel einen Urlaubstag opfern - auch die Mitarbeiter des Eupener Krankenhauses. "Es gibt viele Personalmitglieder, die diesen obersten Tag der Karnevalisten gerne ganz besonders begehen würden und am besten eben nicht indem sie dann bei uns arbeiten müssen. Insofern gibt es eine ganze Reihe Urlaubsanfragen", erklärt Danny Havenith, Direktor des St. Nikolaus Hospitals. "Wir versuchen das dann immer so zu handhaben, dass die, die frei haben möchten, auch frei haben können", so Havenith.
Ein Unternehmen wie ein Krankenhaus lässt sich nicht einfach schließen. Nichtsdestotrotz schaltet auch das Krankenhaus über die Karnevalstage - speziell am Rosenmontag - einen Gang zurück: "Im Prinzip ist der Rosenmontag ein normaler Arbeitstag. Es ist aber so, dass gewisse Aktivitäten dann weniger stark sind. Wir arbeiten mit einer reduzierten Personalbesetzung, die Tagesklinik ist nicht aktiv und im großen OP-Saal wird der ein oder andere Eingriff an einem anderen Tag durchgeführt", weiß Havenith.
Wirtschaftlich betrachtet bringt der Rosenmontag aber keine nennenswerten Umsatzeinbußen mit sich. "Nur weil an diesem Montag gewisse Operationen nicht durchgeführt werden, heißt das ja nicht, dass sie gar nicht durchgeführt werden", so Havenith. Außerdem herrscht zu Karneval in der Regel Hochbetrieb in der Notaufnahme. "An solchen Tagen ist ganz klar eine verstärkte Aktivität in der Notaufnahme festzustellen. Es kann sogar zu Not-Operationen kommen. Dementsprechend ist die Besetzung in der Notaufnahme auch voll ausgerüstet, damit wir diesen Unwirklichkeiten des Tages auch begegnen können", erklärt der Direktor des Eupener Krankenhauses.
Ein Glück also, dass es auch zur Karnevalszeit Leute gibt, die in den Betrieben - und speziell in den Notaufnahmen - die Stellung halten. Der Einschätzung von Reiseverkehrskauffrau Sally Hoegen zufolge ist die Tendenz, dass Antikarnevalisten der Heimat während der jecken Tage völlig den Rücken kehren, jedoch steigend. "Es gibt schon viele, die wirklich von Altweiber bis Rosenmontag verreisen und nichts mit dem Karneval zu tun haben wollen", so Hoegen.
Für den Großteil der Ostbelgier bleibt Karneval jedoch ein Fest zum Mitzufeiern. Dass der Deutschsprachigen Gemeinschaft die Karnevalisten ausgehen könnten, ist so schnell wohl nicht zu erwarten.
Archivbild: BRF