Wenn ein Land seine Terrorwarnstufe erhöht und Maßnahmen gegen eine Bedrohung ergreift, ist die Angst nicht sehr weit. Angst hat die Polizei, die konkret bedroht wurde, Angst um ihre Sicherheit haben Parlamente, Justiz, Magistrate, aber auch Religionsgemeinschaften und Städte. Seitdem das Militär vor strategischen Punkten Stellung bezogen hat, wird den Menschen die Drohung bewusst.
Schulen sagen Ausflüge nach Brüssel ab und verzichten auf den Besuch von Ausstellungen. In Welkenraedt ging man sogar so weit, eine Ausstellung über Zensur zu zensieren und kurzerhand abzubauen. Aus Sicherheitsgründen, hieß es - vielleicht aus Angst vor Vergeltung.
So ist es nicht verwunderlich, wenn die Angst immer mehr um sich greift und das Thema die Menschen beschäftigt. So etwa auf dem Markt in St. Vith: "Auf Märkten sind wir leichte Zielscheiben mit viel Publikum. Hier auf den kleinen Landmärkten habe ich keine so große Angst, aber auf Märkten wie auf der Batte in Lüttich, wo zahlreiche Touristen und Menschen aus dem ganzen Umland kommen, schon eher", erklärt ein Markthändler in St. Vith.
Die unsichtbare Bedrohung verursacht bei vielen ein Gefühl der Unsicherheit und der Angst. Ist es der Beginn einer Angst-Psychose? Und ist es diese Angst, die der Pauschalisierung und der Islamophobie einen neuen Nährboden gibt? Ist es diese Angst, die der Toleranzkultur und der "political correctness" eine Absage erteilt? Ist es diese Angst, die keine Differenzierung zwischen Islam und Islamismus mehr zulässt?
"Wichtig ist, dass man zu seiner Angst steht"
Wie viele andere befasst sich auch die Eupener Psychologin Kirstin Hahn mehr als sonst mit dem Thema. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Angst unter anderem entsteht, weil man keine Kontrolle über das Problem hat und es völlig normal ist, dass natürliche Schutzmechanismen aktiv werden. Damit verbunden ist auch die Angst vor dem Unbekannten.
Doch wie sollten die Menschen mit ihrer Angst umgehen? "Wichtig ist, dass man dazu steht und sagt ich habe Angst. Man muss immer die Entscheidung treffen, was ich in meinem Leben möchte: Mich von der Angst beherrschen lassen und nur noch die Sicherheit in den Vordergrund stellen oder nach meinen Werten leben und mir selber treu sein, das heißt weiterhin Dinge zu erleben und mein Leben zu gestalten", erklärt Hahn.
Manche Kritiker werfen den überlebenden Karikaturisten von Charlie Hebdo vor, mit neuen Mohammed-Karikaturen Öl ins Feuer gegossen zu haben. Dabei lesen viele das in der puren französischen Satiretradition erscheinende laïzistische Blatt zum ersten Mal und werfen die Frage auf, wie weit Satire im Namen der Meinungsfreiheit gehen darf.
"Satire ist in islamischen Ländern unbekannt"
Der Politikwissenschaftler Emanuel Richter glaubt nicht, dass Charlie Hebdo mit der jetzigen Ausgabe zu weit gegangen ist, vielleicht mit früheren Veröffentlichungen, wo bewusst Gefühle verletzt wurden, die Redaktion aber ihre Entscheidungen gerechtfertigt hat. "Diese Art von Satire ist in islamischen Ländern unbekannt und zum Teil über Zensur gänzlich verboten.Viele islamische Länder haben sehr strenge Moralkodizisten und Sitten und insofern kennen sie solche Arten von freier Presse und insbesondere Karikaturen nicht", erklärt Richter.
Und auch die bildliche Darstellung des Propheten wird in der islamischen Welt unterschiedlich behandelt. "In der Frühphase der Religion gab es eine Art Bilderverbot. Das hat sich dann aber gewandelt und jetzt wird es eben von einigen Seiten wieder stark gemacht. Aber es gibt auch andere Moslems, die die bildliche Darstellung vielleicht nicht gerade sehr erquickend, aber auch nicht weiter aufregend finden", so Richter.
Der französische Präsident François Hollande erklärte diese Woche, Frankreich beleidige niemanden, wenn es seine Ideen verteidige.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)