Die Eupener Justiz sucht händeringend nach Experten. Das sind beispielsweise Psychologen oder Psychiater, die im Rahmen von Strafverfahren zu Rate gezogen werden, um ein Gutachten abzugeben. Bei manchen Sittendelikten müssen Experten zum Beispiel das Persönlichkeitsbild eines Angeklagten oder eines Opfers erstellen.
Seit Juni ist das Budget der Justiz für diese Experten aufgebraucht. Mit anderen Worten: Dienstleistungen werden erbracht, doch die Rechnungen werden nicht mehr fristgerecht bezahlt. Monate, gar Jahre müssen die Betroffenen dann auf ihr Geld warten. Deshalb haben viele das Handtuch geworfen und verzichten darauf, für die Justiz zu arbeiten.
Psychologen flüchten
Einer von ihnen ist der Eupener Psychologe Elmar Homburg. Elf Jahre lang arbeitete er mit viel Begeisterung regelmäßig für die Eupener Justiz. Ihr bescheinigt er auch eine sehr gute Zusammenarbeit. Auch wenn die Honorare spärlich waren, sei die Arbeit zusätzlich zu seiner Privatpraxis sehr interessant gewesen. Jahrelang wurden die Honorare regelmäßig ausgezahlt:
"Wo die Sache nicht mehr praktikabel wurde, war, als 2012 der regelmäßige Fluss der Auszahlung der Honorare monatelang ausblieb und erst im darauf folgenden Jahr gezahlt wurde. Man kann nicht sagen, dass die Justiz nicht bezahlt, aber die Bezahlung, die ohnehin schon spärlich war, wurde vollkommen unabsehbar. Damit kann ich in der Privatpraxis nicht umgehen und nicht weiter verfahren. Das ist sehr enttäuschend", sagt Elmar Homburg im BRF. Er halte es für einen schweren Verlust für die Qualität der Justiz.
"Es wird schwieriger zu urteilen"
Das empfindet auch Gerichtspräsident Rolf Lennertz so: "Wir haben in einer Reihe von Akten durch die fehlende Expertise der Sachverständigen große Probleme. Wir müssen Fälle vor Gericht bringen, ohne dass Täter und Opfer begutachtet wurden. Was natürlich für den Richter eine zusätzliche Schwierigkeit ist und die Betroffenen beschneidet, sich vor Gericht zu verteidigen".
Im Moment sei man schlicht und einfach ohne Sachverständige. So extrem sei die Lage noch nie gewesen, sagt Lennertz. "Bis vor kurzem konnten wir Sachverständige aus Deutschland oder Luxemburg beauftragen, wenn wir hier vor Ort keine finden konnten. Diese Möglichkeit haben wir nun nicht mehr, da die Tarife, die der belgische Staat für solche Dienste zahlt, so niedrig sind, dass ausländische Sachverständige nicht mehr für uns arbeiten. Bis vor kurzem hatten wir Ausnahmegenehmigungen, um ausländischen Sachverständigen einen höheren Tarif anzubieten. Das ist jetzt aus Budgetgründen entfallen".
Die schlechte Bezahlung der Sachverständigen und die sehr große Verspätung bei der Zahlung der Rechnungen hätten zu der Situation geführt. Manche warteten noch auf die Auszahlung von Dienstleistungen aus dem Jahre 2011.
Geld fehlt auch, um Pro-Deo-Anwälte zu bezahlen. Das sagt Stéphanie Moor von der Vereinigung 'avocats.be'. Jetzt müsse man fast ein Jahr warten, um sein Geld zu bekommen. Die Lage der Pro-Deo-Anwälte oder der Pro-Deo-Gerichtsvollzieher sei noch schlechter als die der Gutachter, weil die finanziellen Entschädigungen reduziert worden seien.
Gerichtspräsident Rolf Lennertz verglich diese Nöte mit einem täglichen Kampf gegen Windmühlen.
Bild: brf