Zeit fürs Fazit: Jetzt ziehen sie Bilanz, die Politiker - ob in Regierungsverantwortung oder Opposition, ob in der Gemeinschaft, in der Region oder auf föderalem Terrain. Nicht selten werden dabei heiße Eisen vermieden, nicht so im Hohen Haus, dem Parlament der Gemeinschaft. PDG-Präsident Alexander Miesen hat so manches angesprochen, was nicht unbedingt allen gefallen dürfte.
Seit 16 Monaten ist er im Amt des Parlamentspräsidenten. Knapp zwei Wochen vor den Wahlen hat er nun Bilanz gezogen: Alexander Miesen, gerade einmal 31 Jahre jung, der ranghöchste Repräsentant der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Liberal aus Überzeugung und inzwischen durchaus anerkannt - über die Parteigrenzen hinweg. Als Nachfolger des im Amt verstorbenen Ferdel Schröder setzte er zunächst auf Kontinuität in großen Fußstapfen, aber durchaus auch mit eigenem Profil.
"Ich glaube, dass sich die Arbeit des Parlaments in den vergangenen fünf Jahren sehen lassen kann. Ich glaube auch, dass man sagen kann, dass meine persönliche Bilanz gut ist. Als ich damals angetreten bin, hatte ich gesagt, dass ich alles daran setzen werde, das Amt korrekt auszuführen und alle von meinem Vorgänger Ferdel Schröder angestoßenen Projekte zu Ende zu bringen. All das ist erreicht worden", sagt Miesen im BRF.
Alexander Miesen verkennt keineswegs die Probleme der Institution PDG und ihrer Vertreter: Da sollen Feierabendpolitiker nicht nur gesetzgeberische Arbeit leisten, sondern auch die vier Vollprofis in der Regierung kontrollieren - ein nicht zu leugnendes Ungleichgewicht. In anderen Parlamenten seien die Abgeordneten ebenso wie die Regierung Full-Time-Politiker. Daher sei dort das Kräfteverhältnis in einem besseren Gleichgewicht als in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, sagt Miesen.
Ein weiteres Defizit: Während die Gemeinschaft immer mehr Zuständigkeiten und Aufgaben erhält und die Regierung dabei auf eine steigende Anzahl von Mitarbeitern in Kabinett und Ministerium bauen darf, hinkt die Parlamentsverwaltung trotz steigender Anforderungen hinterher. "Ich bin der Meinung, dass im Zuge der Staatsreform auch dem Parlament das Rüstzeug gegeben werden muss, um eine verlässliche Volksvertretung sein zu können. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir keine aufgeblähte Verwaltung und keine Full-Time-Politiker brauchen. Es muss einen weiteren Schritt nach vorne geben, ohne dass das ein aufgeblähter Apparat wird", erklärt Miesen im BRF-Interview.
Miesen darf mit Stolz auf eine erfolgreiche Legislatur seines Parlamentes blicken: 153 Dekrete wurden verabschiedet, 240 Beschlüsse insgesamt gefasst. Die Besucherzahlen stiegen deutlich an, alleine zum Tag der Offenen Tür im neuen Haus kamen fast 9.000 Menschen. Und der organisatorische, strukturelle Umbau wird beharrlich fortgeführt. Die Bedeutung des Parlaments wächst. Doch der direkte Einfluss des Präsidenten auf die Debatten ist eher gering. Über die immer noch viel zu langen Redezeiten bestimmt das Präsidium, die Regierung nimmt sich die Freiheit, so lange zu reden, wie sie es für richtig hält, und wenn der Ministerpräsident zwei Jahre mit einer Antwort auf die Ecolo-Frage nach den Reisekosten der Regierung auf sich warten lässt, kann Miesen nur wenig ausrichten: "Das einzige, was man als Parlamentspräsident machen kann, ist auf den Minister einwirken. Man kann auch öffentlich auf den Tisch hauen. Aber letztlich liegt es in der Verantwortung des Regierungsmitglieds, die Frage zu beantworten oder auch nicht."
Dass er den 16 Monaten gerne fünf Jahre im Amt folgen lassen möchte, daran lässt Alexander Miesen keinen Zweifel. Aber, da sollte man erst einmal die Wahlergebnisse am 25. Mai abwarten. Und vor allem: die Koalitionsverhandlungen danach.
Bild: Nicolas Lambert (belga)