Das Grenz-Echo schlagzeilt heute auf seiner Titelseite "Stadt Eupen sagt Ja zur Volksbefragung". Eine mutige Feststellung, auch wenn man zugestehen muss, dass eine Schlagzeile zur Differenzierung wenig taugt.
Mutig deshalb, weil mit dieser schlagenden Zeile ein Konsens unterstellt wird, den es de facto nicht gibt. Im Gegenteil. Die streitenden Parteien - auch innerhalb der Koalition - liegen mit ihren Ansichten zu Zeitpunkt, Inhalten und Form der Volksbefragung zum Teil weit auseinander.
Volksbefragung wozu? Zur Einrichtung einer Fußgängerzone? Zur Sperrung der Kirchstraße? Zur Einbeziehung weiter Teile des Zentrums in eine Aussperrung von Lkw- und/oder Pkw-Verkehr? Zu einem wohlüberlegten allumfassenden Mobilitätskonzept?
Fest steht: Es ist in den letzten 30 Jahren eine Menge Porzellan zerschlagen worden, anstatt über Partei- und Weltanschauungsgrenzen hinweg eine Struktur zu entwickeln, die es vor allem anderen erlaubt, mehr Lebensqualität in Eupen zu ermöglichen.
Lebensqualität im Sinne von Umwelt- und Gesundheitsschutz, im Sinne einer Standortstärkung für den Einzelhandel und eines wirtschaftlichen Aufschwungs des ostbelgischen Oberzentrums, im Sinne einer Wohlfühlatmosphäre für Anwohner, Kulturtouristen und Shoppingfreunde. Die sogenannte Begegnungszone hat trotz unendlicher Bauarbeiten zweifelsfrei positive Seiten: Eupens Look ist attraktiver geworden, aber die Begegnung von Schwerlast- und Pkw-Verkehr, Fahrradfahrern und Fußgängern auf engstem Raum verstellt den Blick auf die Trümpfe der Stadt.
Das Schlimmste jedoch ist der Umgang mit dem Problemkind Verkehrskonzept. Es ist offenbar stets ein ungeliebtes gewesen, an dem herumerzogen und experimentiert wurde, das beiseite geschoben und fallen gelassen wurde, um es dann wieder in den Mittelpunkt zu rücken - so, wie es gerade passte. Es war das politische Problemkind aller, für dessen Wohlergehen sich keiner wirklich zuständig fühlte - nicht die alte und nicht die neue Mehrheit.
Letztlich litt die Problemlösung immer an einer ideologiebefrachteten Sicht, geprägt von politischen, strategischen und zuletzt wahltaktischen Überlegungen. Trotz angebotener "Mitbeteiligung" - der Bürger blieb oft außen vor. Der Bürgermeister suchte noch nach Orientierung, der Mobilitätsschöffe agierte voreilig bis unglücklich, die PFF sprach mit mehreren Zungen, der Volksbefragungs-Initiator Serge Heinen hatte mit dem Ruf zu kämpfen, er wolle sich als ProDG-Listenkandidat und Referent des Unterrichtsministers wahlpolitisch in Stellung bringen.
Gegenseitig werfen sich die Politiker vor, dass sie politisch handeln. Ein Treppenwitz! Da setzen zwei junge liberale Frauen aus dem Stadtrat in einem Anflug menschlicher Schwäche oder Stärke ihre Namen auf die Unterschriftenliste zur Volksbefragung, um kurze Zeit später offiziell festzustellen, dass sie nicht jetzt und mit dieser Fragestellung schon gar nicht dafür sein können. Das nennt man dann Parteiräson.
Bürgermeister Klinkenberg fordert jetzt, das Thema aus dem Wahlkampf heraus zu halten und bis zum 25. Mai ruhen zu lassen. Nur: Es ist längst Wahlkampfthema. Viele politische Akteure, die im Stadtrat sitzen, stehen auf den Listen für Föderal-, Regional-, Gemeinschafts- oder Europawahlen. Jeder weiß, dass Personen bei diesem Vierfach-Urnengang im Mittelpunkt stehen. Nicht wenige von ihnen haben sich selbst ins Bein geschossen oder zumindest ins Abseits gestellt.
Eupen hat mehr verdient als dieses trostlose politische Zockerspiel.