Es ist vielleicht die zur Zeit am häufigsten gestellte Frage im politischen Raum der DG: Wie ernst ist es Oliver Paasch mit seiner Ankündigung, Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft werden zu wollen? Nimmt er es sportlich-locker nach dem Motto: Alles kann, aber nichts muss? Oder sieht er es ehrgeizig-verbissen nach dem Leitmotiv: Wenn nicht jetzt, wann dann? Oder ist alles nur ein abgekartetes Spiel, ein Scheingefecht?
Wer Oliver Paasch, den politischen Ziehsohn von Amtsinhaber Karl-Heinz Lambertz, ein wenig näher zu kommen versucht, stellt fest: Hinter der rhetorischen Brillanz verbirgt sich ein durchaus empathischer Mensch, der das Gleichgewicht sucht zwischen scharfem Intellekt und Bauchgefühl.
Auch da ist er seinem Noch-Chef ähnlich, wenngleich dieser ein bisschen häufiger den groben Hammer einsetzt, um der Drohgebärde Nachdruck zu verleihen.
Beide kommen im Grunde aus derselben politischen Ecke, der längst nicht mehr existenten PDB. Auch wenn sie beide dieser Partei nie angehört haben, so vertraten sie stets deren politische Thesen. Beide haben Rechtswissenschaften studiert - mit großem Erfolg übrigens. Beide sind sogenannte Alphatiere - aber wie! Und sie haben bewiesen, dass sie das politische, parlamentarische und das Regierungsgeschäft beherrschen. Was nicht heißen soll, dass sie immer richtig gelegen haben.
Unbestritten ist: Das durchaus gute Ansehen dieser Gemeinschaft in In- und Ausland, die institutionelle Entwicklung, die progressive Zunahme von Zuständigkeiten - daran hatten beide Kandidaten einen bedeutenden Anteil. Jetzt treten sie gegeneinander an: der Prinz sägt an des Königs Thron. Doch nach außen geben sich die Zwei wie ein Herz und eine Seele. Kein böses Wort über den anderen. Echte politische Rivalität sieht anders aus.
In Ausübung der Regierungsverantwortung hat man sich immer im Gleichschritt bewegt - der Ministerpräsident und sein Unterrichtsminister. Vor der letzten Gemeinschaftswahl traute sich der Pro-DG-Paasch den MP-Posten noch nicht zu. Diesmal sei das ganz anders, sagt er. Und an SP-Lambertz sind die vielen Jahre des Ackerns und der Dauerpräsenz auf nahezu allen Hochzeiten nicht spurlos vorüber gegangen. Was dazu führt, dass Lambertz betont, er stehe zwar als MP zur Verfügung, aber das sei keine Koalitionsbedingung seiner Partei.
Wie ernst es Paasch und Lambertz meinen, wird sich darin zeigen, ob sie bereit sind, den jeweils anderen fallen zu lassen und in die Opposition zu schicken. Politische Konstellationen im Land und in der Gemeinschaft könnten ein solches Handeln durchaus nahelegen.
Eines haben Lambertz und Paasch jetzt schon geschafft: Über den Mitkoalitionär PFF und seine Spitzenkandidatin Isabelle Weykmans redet im Moment nur eine Minderheit. Zumal Weykmans keine klare Anwartschaft auf die Position der Regierungschefin gestellt hat.
Die CSP mit ihrem Überraschungsspitzenkandidaten Robert Nelles übt sich in vornehmer Zurückhaltung. Mit Karl-Heinz Lambertz geht man abwartend vorsichtig und friedlich um, und die paar Giftpfeile in Richtung Paasch und ProDG trafen nicht wirklich ins Ziel. Sind sich SP und CSP nach den langen Jahren der Zerwürfnisse doch wieder ein bisschen nähergekommen?
Wann geht der Wahlkampf so richtig los, wann greifen die Ecolos an, wann holt Vivant-Balter die rhetorische Keule heraus?
Von Vivant einmal abgesehen: Institutionell sind sich alle in der DG ohnehin einig. Die paar winzigen ideologischen Unterschiede - die sind doch leicht mit dem einen oder anderen Pöstchen zu überwinden. Und wenn's um echte Posten geht, um richtig viel Verantwortung, um Regierungsverantwortung, dann spielen andere Kriterien eine Rolle. Dazu gehört die Lust an der Macht, was per se nichts Schlechtes sein muss.
Wer hat ihn - den größen Machtinstinkt: Lambertz oder Paasch? Und: Wem folgen die Wähler mehr am 25. Mai? Vielleicht dann doch Robert Nelles - dem christlich-sozialen Philosophen. Oder... Nein, lassen wir das. Schluss mit den Spekulationen! Möge doch endlich der Wahlkampf beginnen...
Bild: brf