Die Sechste Staatsreform ist nun endgültig besiegelt. Am Montagnachmittag übergab die Föderalregierung den Text symbolisch den Ministerpräsidenten der Regionen und Gemeinschaften. "Ich muss Ihnen gestehen, dass ich in diesem wunderbaren Neujahrsorchester, das hier vor Ihnen steht, eigentlich nur der Triangelspieler bin", scherzte Karl-Heinz Lambertz.
Der selbsternannte Triangelspieler dürfte nichts desto trotz angetan gewesen sein von dem Gruppenbild im Amtssitz des Premierministers. Da stand nämlich - neben den Vertretern der Föderalregierung, den Parteivorsitzenden und den Präsidenten von Kammer und Senat - sein "Belgien zu viert". Es waren vier Ministerpräsidenten, denen offiziell die Gesetzestexte überreicht wurden, die die Grundlage für die Sechste Staatsreform bilden: die Ministerpräsidenten Flanderns, der Wallonie, Brüssels und eben der Ministerpräsident der DG.
"Ich möchte im Namen der Deutschsprachigen Gemeinschaft gleichermaßen meine Bewunderung und auch Dankbarkeit zum Ausdruck bringen dafür, dass dieses von vielen als unmöglich erwartete Mammutwerk der Sechsten Staatsreform jetzt Wirklichkeit geworden ist", sagte Lambertz in seiner Ansprache. Ein Dank an alle Beteiligten. Ein Dank auch dafür, dass man die Dispositionen für die DG zeitgleich mit den Dispositionen für die großen Teilstaaten ausgearbeitet hat.
Dass für die DG eine gesetzliche Sonderbehandlung nötig ist, hat weitgehend technische Gründe. "Die Verfassungslage ist so, dass die Artikel über die Deutschsprachige Gemeinschaft in der Verfassung ein solches Gesetz vorsehen. Das sind technische Details, und es ist deshalb sehr wichtig, dass man die Dinge immer parallel vorbereitet. Sobald man dann das große Kapitel für die anderen Gemeinschaften und Regionen hat, kann man dann den Text für die Deutschsprachige Gemeinschaft sehr einfach zusammenstellen", erklärt der MP im Interview mit dem BRF-Studio Brüssel.
Diese Texte sind inzwischen im Parlament in Brüssel hinterlegt, der Staatsrat wird sie nun abklopfen müssen. Aber auch die Deutschsprachigen können vielleicht noch ein Wörtchen mitreden: "Jetzt wird das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft sein Gutachten abgeben, und auch da werden wir vielleicht das eine oder andere an Verbesserungen vorschlagen und hoffen, dass das dann in der letzten Fassung auch mit eingebaut wird", so Lambertz.
Weil diese Texte bislang fehlten, war es schwierig, die Auswirkungen der Sechsten Staatsreform für die DG klar herauszuschälen. Es hat ja immer geheißen, dass der Föderalstaat mit den Zuständigkeiten nicht notwendigerweise alle bislang dafür aufgewendeten Mittel übertragen wird. Auf die Frage nach den finanziellen Folgen für das Eupener Budget bleibt Lambertz aber vage: "Jetzt gilt es, mit den Mitteln, die da vorgesehen sind, auch mittelfristig eine neue Finanzsimulation auszuarbeiten - es gibt ja auch Entwicklungen in den gesetzlichen Parametern - und dann dafür zu sorgen, dass wir auch für die neuen Zuständigkeiten ab 2015 einen ausgeglichenen Haushalt haben. Das wird die Arbeit in den kommenden Monaten sein. Und das wird die erste große Bewährungsprobe für die neue Regierung nach den Wahlen."
Soweit also die eigentliche Staatsreform - für die DG ist das aber allenfalls die halbe Miete. In seiner Rede im Lambermont wies Lambertz schon in der Sprache der Adressaten darauf hin, dass noch einige Korrekturen vonnöten sein werden. Dabei kristallisieren sich zwei Probleme heraus.
Tourismus und Beschäftigung
Erstens: Die Zuständigkeit für den Tourismus wird durch die Staatsreform wieder zu einer regionalen Zuständigkeit - die DG verliert die Materie. Zweitens: Für einen Teil der Beschäftigungspolitik ist die DG nach einer entsprechenden Übertragung aus Namur schon zuständig. Mit der Sechsten Staatsreform wird fast die gesamte Arbeitsmarktpolitik an die Regionen übertragen. Bald sieht die Situation also so aus: Die DG ist für einen Teil der Beschäftigungspolitik zuständig, der andere Teil wurde aber wieder in Namur angesiedelt.
Hier fordert Eupen also eine Nachjustierung. Und Lambertz appellierte denn auch an die frankophonen Entscheidungsträger, diese Verhandlungen möglichst schnell zu einem guten Abschluss zu führen. "Die Rückübertragung des Tourismus', das sollte schnell gehen", sagt der wallonische MP Rudy Demotte. Was den Rest des DG-Wunschzettels betrifft, so habe er seinem Kollegen Karl-Heinz Lambertz gegenüber betont, dass die Verhandlungen "ergebnisoffen" geführt werden.
Und noch etwas fügt Demotte gleich ebenso charmant wie schneidend hinzu. Den Deutschsprachigen müsse eins klar sein: Eine nächste Übertragung von Zuständigkeiten von Namur nach Eupen werde auch finanzielle Konsequenzen haben. Demotte will wohl klarmachen, dass man - wenn es um die Finanzierung der Zuständigkeiten geht - nicht mehr so wohlwollend mit Eupen umgeht, wie das vielleicht bislang der Fall war.
Der "institutionelle Wunschzettel" der DG umfasst nicht nur die Bereiche Tourismus und Beschäftigung. Seit Jahren schon verhandeln Eupen und Namur über die Übertragung weiterer regionaler Zuständigkeiten an die DG. "Bei der Beschäftigung gibt es noch etwas komplexere Verhandlungen über die Modalitäten der Finanzierung, das ist von der Sache her komplizierter als beim Tourismus. Aber wir wollen es auch ganz bewusst in ein größeres Paket mit einbringen, denn für unsere weitere Entwicklung - auch in dieser erweiterten Autonomie - werden die Kompetenzen Wohnungsbau und Raumordnung, oder die Provinzzuständigkeit, oder die Hoheit über das Gemeindegesetz noch wichtiger, als sie es heute schon sind."
Die Reaktion des Wallonischen Ministerpräsidenten Rudi Demotte im BRF-Interview ist eher zurückhaltend. "Wir haben diese Themen schon angekartet", sagt Demotte, "aber in wichtigen Kapiteln gibt es weiter Meinungsverschiedenheiten." Die strittigen Punkte sind quasi alle, die auf dem Tisch liegen - mit Ausnahme des Tourismus'.
Demotte deutet an, dass es auf Ebene seiner Regierung wohl keinen Konsens über die Wünsche der DG geben wird. Das Thema müsse zur Chefsache werden. "Wichtig ist, dass es einen Konsens gibt, zwischen den wallonischen demokratischen Parteien", räumt auch Karl-Heinz Lambertz ein. Die Vorsitzenden von PS, MR, CDH und Ecolo werden es wohl richten müssen. Ob das noch vor der Wahl möglich ist? "Da wird die Zeit jetzt in der Tat sehr eng. Aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, voll in den Endspurt zu gehen."
rop/km - Bild: Thierry Roge/BELGA
Das wird ein "heißer Sommer".
Wenn wir Ostbelgier diese Selbstständigkeit wirklich wollen - alles andere wäre meines Erachten nach für uns Deutschsprachige ein zurück in die Zeiten des kalten Krieges - dann muss Wallonien spüren das die Ostbelgier ihren Freiraum auch wirklich wollen.
Was Flandern kann können wir schon lange!
Solidarität, Kampfgeist über Parteigrenzen hinaus ist das Gebot der Stunde!