Die ostbelgische Kulturszene kann sich sehen lassen. Gemessen an Zahl und Qualität der Akteure und ihrer Veranstaltungen werden wohl die meisten Städte in vergleichbarer Bevölkerungsgröße neidisch. Das kommt nicht von ungefähr. Die Saat legte die Politik in den 80er und 90er Jahren, als sie etwa Lehrer freistellte, die sich der Kultur widmen sollten.
Das Pflänzchen wuchs und brauchte mehr Nahrung. Den Dünger lieferten die einzelnen Geschäftsführungsverträge. Die DG schließt sie seit etwa zehn Jahren mit den inzwischen hochprofessionell agierenden Kulturschaffenden ab und sichert so deren Förderung. Das Kulturförderdekret ist nun der logische nächste Schritt, sozusagen die automatische Bewässerungsanlage.
Ja, das Dekret räumt auf in den vielen Einzelverträgen und schafft allgemein gültige Grundsätze. Es kategorisiert den Sektor in Kulturproduzenten, Veranstalter und Zentren. Nach aktuellem Stand sind das stolze neun Institutionen. Das Dekret legt fest, welche formalen Anforderungen nötig sind, um staatliches Geld zu erhalten und koppelt diese auch an einen Leistungsgedanken.
Wer viel schafft und viele Besucher anzieht, erhält auch mehr Geld. Das ist nur gerecht. Eine "unabhängige Jury" soll prüfen, ob die formalen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt sind. Die künstlerische Arbeit werde nicht bewertet. Eine schwierige Trennung. Denn ob man will oder nicht - wer Förderung gibt oder verweigert, beeinflusst zwangsläufig die kulturelle Landschaft. Und sei es nur subtil.
Trotz Jury gibt die ostbelgische Politik - wie üblich - die Fäden nur scheinbar aus der Hand. Einen Rechtsanspruch auf Förderung gibt es in der Kultur nicht. Die Jury legt ein Gutachten ab. In letzter Instanz entscheidet aber weiter die Regierung, ob sie einem Förderantrag stattgibt oder nicht. Wozu dann das Feigenblatt mit einer Jury?, könnte man sich fragen.
Das neue Dekret nennt zwar exakte Förderbeträge, doch die stehen unter Haushaltsvorbehalt. Außerdem darf die Regierung sie mit einem Faktor multiplizieren. So könnten die Beträge durch einen Faktor größer als eins erhöht werden. Theoretisch möglich wäre aber ein Faktor kleiner als eins. Mal sehen, was passiert, wenn plötzlich ein zehnter professioneller Akteur die Bühne betritt. Fließt dann automatisch mehr Geld in den Sektor oder wird der Kuchen in kleineren Stücken verteilt?
Dennoch beklatschen fast alle Kulturschaffenden das Förderdekret. Alles andere wäre auch ein Wunder, denn die Kulturszene hat das Dekret eifrig mitgeschrieben. Positiv gelesen: "Der Sektor wurde in den Gesetzgebungsprozess einbezogen." Man könnte aber auch sagen: "Die Politik hört auf die Lobbyisten". In der Tat, durch das neue Dekret werden die professionell Kulturschaffenden rund 300.000 Euro mehr erhalten als in den bisherigen Fördermodellen (hinzu kommen 200.000 Euro als Funktionszuschuss für das regionale Kulturzentrum Nord, wenn es seinen Betrieb einmal aufgenommen hat). Das ist nicht per se schlecht, in Zeiten von Sparprogrammen und Haushaltsdisziplin aber bemerkenswert. Keine Angst, das Dekret ist kein Selbstbedienungsladen. Es sieht für jede Vereinigung Höchstgrenzen bei der Förderung vor.
Auch die kleinen Amateurkunstvereinigungen sollen von nun an klarer sehen. Von Folklore bis zum Einzelkünstler liefert das Dekret klare Förderkriterien und Summen. Doch während die professionellen Kulturanbieter bis zu 30 Prozent mehr Subventionen erwarten dürfen, fällt das Plus bei den Amateuren wesentlich geringer aus. Das beklagte auch etwa Födekam.
Die Deutschsprachige Gemeinschaft professionalisiert sich. Stets bemüht, Wildwuchs auf Linie zu ziehen. Mitunter dringt sie dabei auf Territorien vor, die bis dato vom politischen Gestaltungseifer verschont geblieben sind. Nicht immer ist die Politik dort willkommen. Im Bereich Kulturförderung räumt die Politik aber in erster Linie bei sich selbst auf - allerdings mit Samthandschuhen, um die seit Jahrzehnten eigenhändig gezogene Kulturlandschaft weiter zu pflegen.
Nach 40 Jahren Kulturautonomie war etwas Gartenarbeit anscheinend überfällig und zumindest die Gärtner sind mit ihrem Ergebnis zufrieden.