Willy Schyns hing dem alten Belgien nach. Er war auch Bergmann gewesen und Gewerkschafter: Unter Tage gab es Solidarität über Sprachen hinaus. Kein Wunder, dass er den Kulturrat mit einigem Argwohn einsetzte, als der dazu befugte Staatssekretär.
Für die Nachgeborenen, heutzutage, ist das eine Geschichte aus grauer Vorzeit, so wie aus der Neandertal-Zeit: Glücklich die Nachgeborenen, heutzutage, die wie selbstverständlich sagen, wenn sie zelten wollen: "Die Zelte bekommen wir von der DG". Ohne nachzudenken, ohne zu zögern: "Die DG". Eine Unbekümmertheit, die ihre Großväter nicht hatten. Die eindruckvolle Anbringung "der Stolpersteine" zu Beginn der Woche lassen den zurückgelegten Weg ermessen, und das Glück der Spätgeborenen. Einige Tage später stand König Philippe auf dem Balkon, wo die Spruchbänder erst dem Führer, dann den Alliierten gedankt hatten.
Muss man es Willy Schyns verdenken, dass ihm vor einer Wiederholung der Zerrissenheit graute?
Muss man sich wundern, dass eine Handvoll 68er die Chancen des Paradigmenwechsels von 1963 - die Sprachgesetze - und 1968 - die verfassungsmäßige Verankerung der deutschsprachigen Kulturgemeinschaft - am Schopf packten und die Gunst der Stunde voll nutzen wollten?
40 Jahre nach der Einsetzung des Kulturrats tut es gut, sich noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass junge Leute Gedichte schrieben, dass Kunst & Bühne eine Bibliothek und Theaterabende anbot, dass sich Studenten in Löwen, Namur, Lüttich, auch in Aachen, selbst definierten, als Belgier , die deutsch sprechen, und dass der BHF, wie der BRF zuvor hieß, freimütig und unbekümmert ein grenzüberschreitendes Bewusstsein schuf, das erst die Voraussetzung schaffte für eine unverkrampfte Bereitschaft der Menschen, ihren Horizont zu weiten und das 1973 geschaffene Kleid der Deutschsprachigen Gemeinschaft überzustreifen.
Es waren Sprache und Kultur, die die DG schufen, die Politik kam später, nicht umgekehrt. Es ist nicht schlecht, sich dieser Tatsache bewusst zu sein, 2013.