In Zeiten von Wirtschafts- und Eurokrise stellt man vielerorts die Frage nach Sinn und Berechtigung einer Staatengemeinschaft wie Europa. Diese Frage gilt allerdings nicht nur in Sachen Wirtschaft und Finanzen, sondern auch auf Ebene der Bürger. Das Zusammenleben von verschiedenen Kulturen beginnt im Kleinen und gerade in einer Grenzregion wie der DG ist dieses Thema immer aktuell.
Für viele Bürger bleibt es dennoch schwer, sich in die oft sehr abstrakten Diskussionen um mehr oder weniger Zusammenleben einzufühlen. Europa greifbar zu machen gelingt nicht und so ist auch das Interesse an europäischen Vorhaben eher gering. Aber die Euregio Maas-Rhein ist direkt vor unserer Haustür, für viele hier in der Gegend jedoch genau so weit weg wie Europa selbst.
Großes Potenzial
Seit dem Beginn der Urbanisierung im 19. Jahrhundert zieht es immer mehr Menschen vom Land in die Stadt. Die zentral gelegenen Metropolen versprechen wirtschaftlichen Aufstieg und viele, neue Möglichkeiten. Die Grenzregionen bleiben da im wahrsten Sinne des Wortes außen vor. Die oft ländlichen Gegenden bieten vor allem jungen Menschen einfach zu wenig Möglichkeiten.
Genau hier setzt die Idee der Euregio an. Die Kooperation zwischen Grenzregionen verschiedener Länder soll diese wieder interessant machen. Durch Zusammenarbeit schafft man wirtschaftliche Anreize und Arbeitsplätze. Rudolf Godesar arbeitet in Eupen für die Euregio Maas-Rhein. Für ihn ist die Euregio in einigen Punkten bereits jetzt ihren großen Vorbildern, den europäischen Metropolen, sehr ähnlich. "In Berlin und Paris ist was los. Das gleiche Potenzial haben wir auch in der Euregio Maas-Rhein. Es gibt 200.000 Unternehmen, fünf Universitäten, 19 Hochschulen. Wir haben alleine im medizinischen Bereich 300 Forschungseinrichtungen. Und dazwischen liegen Wälder, Naturparks und Erholungsflächen."
Das Potential ist da und dank zahlreicher Kooperationen in Sachen Sicherheit, Kultur und Tourismus entfalten sich immer mehr Möglichkeiten für junge Menschen und Unternehmen. Trotzdem hat die Euregio ein Imageproblem. Rudolf Godesar: "Viele Dinge bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind für uns selbstverständlich, aber dahinter stecken zahlreiche Abkommen, die auf Ebene der Euregio geschlossen wurden. Darüber sind sich viele nicht bewusst."
Um Europa „lebbar" zu machen braucht es in erster Linie eine ganze Menge praktischer Kooperationen. Vom Krankenwagen bis zur Rente - die Gesetze verschiedener Länder zu vereinen ist nicht einfach. Ziel der Euregio ist eine sogenannte funktionale Urbanisierung. Dabei wird eine ländliche Gegend nicht zur Stadt, baut aber ähnliche Strukturen auf. Mehrere kleine, gut vernetzte Zentren, ein dichtes Geflecht aus Stadt und Land, geben den Menschen Vielfalt und neue Möglichkeiten. Ganz ähnlich wie die großen Metropolen.
Seit ihrer Gründung im Jahr 1976 arbeiten Deutschland, Belgien und die Niederlande an diesem Geflecht aus Land und Stadt. Viele praktische Hürden sind bereits genommen, jetzt geht es darum, auch die verschiedenen Mentalitäten und Kulturen enger zu verflechten. Das geht nur, indem man seinen Nachbarn besser kennen lernt. Damit dieser letzte Schritt passiert, braucht man laut Rudolf Godesar noch mehr Mobilität im Dreiländereck, mehr Begeisterung für Kultur und die Bereitschaft, weiter als bis zur Landesgrenze zu fahren. Das Angebot sei da, sagt er, man müsse es nur noch nutzen.
Bild: BRF