Das Magazin "Le Vif/L'express" hat erneut die Arbeit von insgesamt 233 Abgeordneten und Senatoren, die für den frankophonen Landesteil relevant sind, unter die Lupe genommen.
Nun lässt sich zwar über Sinn und Unsinn solcher Untersuchungen streiten und auch die Autoren des Rankings rufen selbst zu einem zurückhaltenden Umgang mit den Ergebnissen auf, aber unbestritten ist, dass die Analyse zumindest eine Tendenz wiedergibt.
Für Aufsehen sorgt dabei erneut der ostbelgische SP-Regionalabgeordnete Edmund Stoffels, der seinem Ruf als einer der fleißigsten Abgeordneten des Landes erneut gerecht wird. Mit insgesamt 597 schriftlichen und 115 mündlichen Anfragen erzielt Stoffels mit einer Summe von 736 parlamentarischen Initiativen einen absoluten Spitzenwert im Parlamentarismus des südlichen Landesteils.
Die Autoren der Untersuchung bezeichnen dies als geradezu phänomenal. In den wallonischen Ministerien hält sich das Gerücht, dass ein Beamter in Namur nur mit der Beantwortung der Anfragen des Deutschsprachigen beauftragt sei, heißt es. Danach befragt, legt Stoffels Wert auf die Feststellung, dass er alle Anfragen selbst verfasst.
Dass er seine Fragen zumeist schriftlich einreicht, ist für Stoffels eine Frage der Effizienz. Mit ständigen mündlichen Anfragen riskiere er den Kollegen auf die Nerven zu gehen, sagt Stoffels. Deshalb betrachte er seine Arbeitsweise als eine Art Kompromisslösung. Auch in früheren Untersuchungen war die Arbeit des SP-Regionalabgeordneten stets als überdurchschnittlich bewertet worden.
Auch Jadin mit guter Note
Als weit über dem Durchschnitt wird auch die Arbeit der liberalen Föderalabgeordneten Kattrin Jadin in der Analyse bewertet. In nur 33 Wochen machte Jadin fünf Gesetzesvorschläge, hinterlegte drei Abänderungsanträge, stellte 42 schriftliche Fragen, vier Mal wandte sie sich mündlich zu Wort und zusammen mit drei Interventionen gehen 87 Initiativen auf das Konto der Abgeordneten aus Eupen.
Die Autoren werteten auch die Arbeit der 29 Senatoren des frankophonen Landesteils aus. Auch den deutschsprachigen Senator, Louis Siquet, nahmen sie dabei in den Blick. Mit einem Gesetzesvorschlag, der Hinterlegung einer Resolution und fünf Berichten bewertet die Analyse die Arbeit des Gemeinschaftssenators als unter dem Durchschnitt liegend. Andererseits, so heißt es, sei es auch normal, dass die Senatoren aufgrund der bevorstehenden Reform der Institution sich nur auf ihren jeweiligen Kompetenzfeldern zu Wort meldeten. Im Falle von Louis Siquet bedeutet dies demnach, dass er vor allem dann das Wort ergreift, wenn Belange der Deutschsprachigen Gemeinschaft tangiert sind.
Fazit der Analyse
Halten wir fest: Nach der Analyse ist Edmund Stoffels gewissermaßen 'Meister aller Klassen'. Im wallonischen Regionalparlament ist er der mit Abstand produktivste Volksvertreter. Seine sozialistische Fraktion hat es dem Deutschsprachigen zu verdanken, wenn sie als Fraktion überdurchschnittlich abschneidet, denn bei den 29 PS-Abgeordneten erreichen eigentlich nur sechs ein überdurchschnittliches Resultat.
Von den grünen Abgeordneten im wallonischen Parlament liegen nur zwei von 14 über dem Durchschnitt. Die Ecolo-Abgeordnete Monika Dethier-Neumann zählt nicht dazu. Mit insgesamt 42 Initiativen wird ihre Arbeit in der Analyse als eher unterdurchschnittlich angesehen.
In einem Punkt sind alle deutschsprachigen Volksvertreter vorbildlich: Kattrin Jadin, Edmund Stoffels, Monika Dethier-Neumann und Louis Siquet erreichen einen 100-prozentigen Anwesenheitswert.
vif/mitt/rkr - Archivbild: Bruno Fahy (belga)
Bravo, aber was hat er konkret erreicht, wie hat er abgestimmt? Würde er immer nach seinen Überzeugungen abstimmen, würde er bei den nächsten Wahlen vielleicht nicht mehr auf der Liste stehen... Außerdem: Wie stehts mit der Qualität (und dem Sinn) von 736 Anfragen in einem Jahr, wovon die Kabinette sagen, es sei Beschäftigungspolitik für die Staatssekretäre, und wozu die Abgeordneten-Kollegen nur ein müdes Grinsen übrig haben (s. Inlandspresse).
die Fragen entsprechen folgender Strategie :
- manche Fragen und Antworten der Minister helfen, dass Regelwerke durch die Verwaltung einheitlich interpretiert. werden. Das ist leider viel zu oft nötig, das viele Regierungserlasse zu sehr Spielraum lassen für widersprüchliche Interpretationen.
- manche Fragen werden gestellt, um Impulse an die jeweiligen Minister zu geben, ihre Politik sei es zu korrigieren, sei es zu ergänzen.
- manche Fragen haben den Zweck, abzutasten, wie der Minister zu einem Thema steht, bevor Dekret- und Resolutionsvorschläge eingebracht werden.
- manche Fragen gelten als konstruktive Kritik : die Entscheidung der Regierung wird hinterfragt und ein konstruktiver Gegenvorschlag wird vorgelegt.
- usw.
Die Regierung antwortet, sie übernimmt Inhalte oder verwirft diese, sie übernimmt sie später oder teilweise ... kurzum, wir arbeiten in einem demokratischen Kontext, wo es nicht genügt, mit den Fingern zu schnipsen, um bereits alle Lösungen herbei zu führen. Manchmal braucht der Weg bis zur Findung der geeigneten Lösung viel Zeit, Energie und Nerven. Manchmal versperrt der Minister sich jedoch auch der vorgeschlagenen Lösung.
Die Zahl und die Tonlage der Fragen spiegelt immer wider, wie kontrovers die Entscheidung des Ministers oder der Regierung ist.
Dass eine solche Arbeitsweise auch schon mal Zähneknirschen verursacht, liegt in der Natur der Sache - insbesondere bei denen, die danach in ihrer "Freiheit" beschnitten werden, die Regelwerke nach eignener Interpretation zu deuten. Damit werden wir wohl leben müssen.
Und wenn mancher Abgeordneter nur "ein müdes Grinsen" übrig hat, liegt es vielleicht auch daran, dass er gerade erst aus dem politischen Tiefschlaf aufgewacht ist...
Danke für Ihre Infos. Aber ob das alles so "weltbewegend" ist?... Blockieren Sie damit nicht auch manchmal den ganzen Apparat? Trotzdem, Fleißkärtchen verdient und Demokratie "im Quadrat". Aber die Präsenz ist exemplarisch!
Die Frage nach dem Abstimmungsverhalten aber bleibt. Die Regierung hat doch Ihr Vertrauen, Sie nicken bei allem und jederzeit, oder? Dann ist das Erwecken des Anscheins, man sei mit den Entscheidungen seiner Regierung NICHT einverstanden, doch eigentlich unehrlich.
Solch eine widersprüchliche Haltung erkenne ich jedenfalls bei keinem der DG-Parlamentarier (von dem sanften Druck bei den Auslandskosten einmal abgesehen), obwohl das durchaus ab und zu wünschenswert wäre. Ein engagierter DG-Parlamentarier der Mehrheit und Fraktionssprecher schrieb des öfteren in Foren, dass solche Diskussionen mit den Koalitionspartnern nur in den Ausschüssen stattfinden, und es auch nur sollten. Aber damit kann man keinen "Ruhm" und keine Bekanntheit/Popularität erreichen, wie in Ihrem Falle. Vielleicht sollten die PDG-Parlamentarier dann doch etwas von Ihnen lernen...? Oder sind Sie deshalb nicht im PDG bzw. nur ganz selten bei den Sitzungen (ähnlich wie Grosch), obwohl das eigentlich erwünscht ist...?
Weltbewegend sind gewiss nicht alle Fragen, die sich auf das praktische Alltagsleben der Bürger, Betriebe und Einrichtungen beziehen. Aber sie spiegeln die Themen, die den Bürgern - ob frankophone oder deutschsprachige - unter den Fingernägeln brennen. Spektakulär sind die meisten auch nicht, eher bodenständig und direkt aus dem Leben der Menschen gegriffen. Davon können Sie sich bei der Lektüre der Fragen und Antworten überzeugen.
Jede Frage, die sich auf Dekrete bezieht, die zur Abstimmung stehen, hat den Zweck, ersten die eigene Fraktion zu Themen zu positionieren (was sich oft in Abänderungsvorschlägen zu diesem oder jenem Artikel niederschlägt, oder zu Korrekturen an den Texten, bevor diese definitiv im Parlement hinterlegt werden). Zum anderen werden eben etliche der Inhalte von den jeweiligen Ministern übernommen und eingebaut, so dass sich die Texte, über die es abzustimmen gilt, durch die Fragestellung weiter entwickelt werden konnten. Das Ergebnis sind Kompromisse, denen zugestimmt werden kann - wobei ein Kompromiss nie das 100 % Ergebnis einer Person oder einer Fraktion ist. Das ist Realpolitik im Kontrast zum politischen Fundamentalismus. Nie jedoch habe ich einem Dekret zugestimmt, das meinen Überzeugungen zuwider lief. Wohl aber habe ich, wie jeder Demokrat, Kompromissen zugestimmt, wenn sie tragbar waren.
Die meisten Fragen beziehen sich jedoch auf Regierungserlasse. Ein solcher Regierungserlass führt die Artikel eines Dekrets aus, den das Parlament verabschiedet hat. Selbst und direkt eingreifen in die Redation eines Regierungserlasses kann ein Parlamentarier nicht. Er kann dazu immer nur den Minister zur Rede stellen. Und auch hier : mancher Inhalt aus den Fragen wird übernommen, andere werden verworfen, wiederum andere teilweise übernommen. Einige Beispiele : die Indexierung der Referenzeinkommen anhand derer die Höhe der Prämien im Wohnungsbau berechnet werden, die Möglichkeit einer Sozialwohnungsbaugesellschaft, Wohnungen anmieten und weitervermieten zu können, die Staffelung der Energiebeihilfen je nach Einkommen des Antragstellers, die Aufnahme neuer Kriterien in die Gesetzgebung zur Bewertung der Gesundheitsverträglichkeit einer Wohnung usw.
Wer sich am Ende die Federn an den Hut steckt, ist zweitrangig. Ich glaube nicht, dass ich seit 2009 dadurch aufgefallen bin, dass immer wieder über meine Arbeit berichtet wurde. Die eigene wöchentliche Newsletter dient dazu, den Fragestellerns aus der Bevölkerung die Frage und die Antwort des Ministers mitzuteilen. Dabei werde ich gewiss weniger oft gelesen als so mancher Leserbriefschreiber .... (war ein Scherz).