Flandern, Schottland, Katalonien: Immer mehr Regionen wollen mehr Autonomie, streben sogar die Unabhängigkeit an. Das könnte auch die EU auf Dauer vor neue Herausforderungen stellen. Die Verträge sehen bislang nämlich lediglich den Beitritt neuer Mitgliedsländer vor.
Doch wie würde man reagieren, wenn sich innerhalb der EU plötzlich neue Staaten bilden? Diese Frage stand in dieser Woche im Mittelpunkt eines Seminars, das die sozialistische Fraktion im Ausschuss der Regionen organisiert hatte. Bedeutet zumindest: Man will so ein Abspaltungsszenario nicht mehr ausschließen.
Ab wann kann man von einem neuen Staat sprechen? "Da hat das Völkerrecht klare Regeln festgelegt: Ein Staat besteht dann, wenn er ein Territorium hat, wenn eine klare Machtlage vorhanden ist, wo Behörden das Land kontrollieren, und wenn die Staatengemeinschaft den neuen Staat als Partner akzeptiert", erklärt DG-Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz, der auch Vorsitzender der sozialistischen Fraktion im Ausschuss der Regionen ist. "Völkerrechtswidrig wäre der Einsatz von Gewalt."
Was im Völkerrecht noch relativ klar definiert ist, wäre aber für einen Staatenverbund wie die EU eine harte Nuss, wie auch Karl-Heinz Lambertz darlegt. "Da ja Europa eine Entwicklung gekannt hat, wo die Staaten einen Teil ihrer Souveränität an die EU abgegeben haben, sind derlei Entwicklungen nicht mehr rein 'innerstaatliche Angelegenheiten' - zumindest nicht, wenn es zu der Konsequenz kommt, dass ein neuer Staat entsteht. Dann ändern sich plötzlich auch die Spielregeln innerhalb der Europäischen Union. Das kann ganz schön kompliziert werden, denn an diesen Fall hat man natürlich bei der Gründung Europas nicht gedacht."
Dass Regionen zur Unabhängigkeit tendieren können, kann mehrere Gründe haben. Einer davon ist mitunter die EU selbst: Europa wird als Bedrohung aufgefasst, die innereuropäische Solidarität als problematisch. Man glaubt, man stünde alleine besser da. Ein Trugschluss, glaubt Lambertz. Ein starkes Europa - das die sozial-wirtschaftlichen Leitlinien vorgibt, sich aber nicht in Details verzettelt - gepaart mit einer starken lokalen Ebene und starken Regionen, die sich mit den konkreten Anliegen und Problemen der Bürger befassen: Wenn man dieses Gleichgewicht findet, dann müsste eigentlich niemand die Unabhängigkeit anstreben, glaubt Karl-Heinz Lambertz.
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