Nach dem Tod von Ferdel Schröder las man im Netz den Wunsch verschiedener User, die erste Vizepräsidentin möge das Amt weiterführen, bis zu den Wahlen. Das sei ein Zeichen politischer Demut. Es hieße aber, das Wesen der Politik zu verkennen: Politik ist Machtpolitik, und so muss die schnelle Nominierung des neuen Präsidenten durch seine Partei nicht verwundern. Wundern kann man sich bestenfalls darüber, wie freimütig die Präsidentin erklärte, die Nominierung erfolge auch mit Blick auf das, Zitat, Superwahljahr 2014.
Kann man einer Parteipräsidentin vorwerfen, parteipolitisches Kalkül zu betreiben? Wenn sie gleichzeitig einräumt, damit ein Risiko einzugehen? Doch es geht um das Amt des Parlamentspräsidenten. Darf es einem 29-jährigen anvertraut werden? Nun, nächstes Jahr ist er bereits 30, und das klingt dann schon anders. Muss es ein gestandener Mann sein, der sich im Leben bewährt hat? Oder ist es inzwischen nicht vielmehr so, dass er sich in der Politik bewährt haben muss?
Denn ebenso wie börsennotierte Firmen Nachwuchskräfte brauchen, sind Parteien inzwischen auf junge Berufspolitiker angewiesen. Wie das gekommen ist, darüber gibt es sicherlich kluge Arbeiten. Man kann es begrüßen, das Berufspolitikertum, oder bedauern. Tatsache ist: so funktioniert inzwischen Politik, und so erklärt sich vielleicht auch, eine Stufe weiter, die Wandlung Europas von einer Idee zur EU, mit ihrer Regelwut und mit der Kaste, die sie hervor gebracht hat. Es sei denn, es sind Seiteneinsteiger von Goldman Sachs.
Weshalb also das Erstaunen, dass ein junger Berufspolitiker designiert worden ist? Emil Dannemark sagte es so: Es galt, Lücken zu füllen und Bedürfnisse zu erfüllen. Weshalb hätte er auf das verzichten sollen, was viele Politiker am liebsten tun? Nämlich Bürgermeister sein. Beides zusammen, Bürgermeister und Präsident, wäre zu happig, meinte er instinktsicher.
Dass Heinz Keul nicht Präsident aller Bürger sein und ihnen gleichzeitig Immobilien oder Versicherungspolicen verkaufen kann, dürfte offensichtlich sein, so ähnlich hat er sich auch ausgedrückt - Kattrin Jadin selbst war nicht präsidiabel, weil nicht mehr effektives Mitglied, und Jenny Möres, 13 Tage älter als Alexander Miesen, winkte ab. So ist er tatsächlich der junge neue Präsident.
Doch: In diesem unserem ganz aktuellen Belgien mit seinen De Wevers, seinen jungen De Croos, die mal gern einen Stecker rausziehen, mit dem plötzlichen Drang, das Königshaus aufs Protokoll zu beschränken, und unter Aufsicht der Ratingagenturen - in diesem Belgien sind sechs Jahre politische Erfahrung, unter anderem im Senat, an der Seite von Berni Collas, wenn man es nüchtern betrachtet, eigentlich nicht wegzureden.
Seit 2006, dem Eintritt Miesens in die Welt der Brüsseler Politik, ist das Belgien des Bart de Wever nicht mehr das des Unionsföderalismus aus der Zeit, als Wilfried Martens in Brüssel amtierte. Zu der Zeit war es Manfred Betsch in Eupen, der als erster sagte: Ich mache in Brüssel klar, dass wir die Brücke zu Deutschland sind - Johann Weynand, als der erste Präsident, hatte noch die Wunden des Weltkriegs zu kitten. So hat jede Zeit ihren Präsidenten.
Was mich nachdenklich macht bei dieser Angelegenheit ist nicht das jungendliche Alter des Herrn Miessen, sondern die Tatsache, dass heutzutage fast ausschliesslich Akademiker und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in den Parlamenten sitzen. Wenn man sich die verschiedensten Parteien anschaut, so fällt einem doch direkt ins Auge, dass dort nur noch Akademiker zu finden sind. Wie kommt das ? Ich denke das liegt daran, das die schon in jungen Jahren von den verschiedensten Parteien in der Studienzeit rekrutiert werden und dann in Kabinetten arbeiten, und sich so langsam eine Karriere aufbauen.
Erst jetzt konnte ich diesen sehr guten Kommentar von Herrn Schunck lesen. Prima !